NO.14 __L'IMPÉRIALE

Kammerorchester Basel
Giovanni Antonini,
Dirigent
Peter Marlow, Fotografie
Péter Nádas, Autor

Sinfonien Nr. 33, 54 und Nr. 53 «L'Impériale»
Sinfonia D-Dur (Ouvertüre zu «Genovefens vierter Theil»?)

„L'Impériale“ – auf den Beinamen der Sinfonie No. 53 lautend – knüpft dort an, wohin die MusikerInnen des KOB ihr Haydn-begeistertes Publikum zuletzt mit „Les jeux et les plaisirs“ entführt hatten: in eine Zeit, in der der esterházysche Kapellmeister von einer Saison zur nächsten auf hochfürstliches Verlangen zum Vollzeit-Opernimpressario avanciert. Zum eigenen Komponieren bleibt fortan nicht viel Raum und obendrein scheint es, als pflege der Maestro neuerdings ein wenig zu viel Umgang mit der „leichten Muse“. Dass Haydn dennoch Meisterliches schuf, mit seinen jüngsten Tonschöpfungen gar den sprichwörtlichen „Zahn der Zeit“ trifft, wird klar, wenn man sich die einstige Erfolgsstory der „L'Impériale“ vor Augen führt:
Wenn ein Werk schon zu Lebzeiten Haydns solch weite Kreise zieht, sein melodiöses Andante für andere – meist kammermusikalische Besetzungen – bearbeitet, mit Gesangstexten unterlegt, ja sogar in zeitgenössischen Ballettchoreographien verwendet wird, ist dies als eindeutiges Zeichen für seine einstige Popularität zu verstehen. Wenn diese Sinfonie dann „für den Hausgebrauch“ noch mit einer jener neumodischen langsamen Einleitungen versehen wird, bzw. – wie ihr Schwesternwerk No. 54 – nachträglich Trompeten- und Paukenstimmen hinzugefügt bekommt, dienen diese Verschönerungsarbeiten in der Regel nur dem einen Zweck: der Demonstration von Pracht und Prunk des esterházyschen Hofwesens auf musikalischer Ebene. Nicht umsonst trug Haydns langjähriger Dienstherr Fürst Nikolaus I. den Beinnamen „der Prachtliebende“ ...  

Programm

Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 33 in C-Dur, HOB. I:33 (um 1761/62?)

Vivace / Andante / Menuet – Trio / Finale. Allegro

33

SINFONIE NR. 33 C-DUR HOB. I:33 (um 1761/62?)

Besetzung: 2 Ob, 2 Hr, 2 Trp, Pk, Str
Entstehungsjahr: bis 1767 [1761/1762?]

Vivace / Andante / Menuet – Trio / Finale. Allegro

 

von Christian Moritz-Bauer

Die Hofmusik der Fürsten Esterházy galt vielen Zeitgenossen als eine der besten weit und breit, durfte sie sich – neben eines Ensembles exzellenter Vokalisten – doch wahrer Meister des Instrumentalspiels wie Luigi Tomasini auf der Violine, Joseph Weigl am Violoncello oder Carl Franz als erstem Hornisten erfreuen. Beherrschte manch einer unter diesen gleich mehrere Instrumente (was Haydn als Kapellmeister eine gewisse Flexibilität bei der Instrumentierung seiner diversen Tonschöpfungen erlaubte), so blieb ihm der Einsatz von Trompeten jedoch grundsätzlich verwehrt – es sei denn, dass er sich die dazugehörigen Musiker hin und wieder aus dem Ensemble der städtischen Ratsmusik lieh. Einer der Anlässe, die solcherlei Extravaganz erlaubten, war die Installationsfeier Nikolaus I. zum Majoratsherren und Nachfolger seines kinderlos verstorbenen Bruders Paul II. Anton, die am 18. Mai 1762 begangen wurde2.  Dieses, oder vielleicht ein anderes, noch etwas früheres Ereignis, mag es demnach gewesen sein, aus dessen Anlass die Sinfonie C-Dur Hob. I:33 zum ersten Mal und mit personeller Unterstützung seitens des Eisenstädter Thurnermeisters Anton Höld d. Ä. erklungen war3;  ein Werk, das – vielleicht auch aus Gründen der Pietät – sich seinem Publikum gegenüber weniger glanz- als mehr gefühlvoll gab.  Tatsächlich sind es die Nebenschauplätze, die kleinen, feinsinnigen, miteinander kommunizierenden Details, die den besonderen Reiz dieser Festmusik versprühen: etwa der senza Basso ausgeführte Seitensatz im anfänglichen Vivace, der der Viola eine so markante wie tragende Rolle zugesteht, oder das ihm unmittelbar vorausgehende lebhafte Wechselspiel von erster und zweiter Violine, aus dem sich in der Durchführung ein wahrhaft vergnüglicher kleiner ,Ballwechselʻ entwickeln wird. Dann ein von leiser Melancholie wie kontrapunktischen Stilelementen durchwobenes Andante, das vom Trio des Menuettsatzes, welches sich auf subtile Weise mit der humorstiftenden Wirkung synkopisch versetzter Stimmverläufe beschäftigt, beantwortet wird. Damit aber nicht genug, folgt doch darauf noch das finale Allegro, dessen unbekümmert auftanzendes Thema im Verlauf des Satzes eine vorübergehende, dramatische Wendung nach Moll nimmt. Angesichts seiner Entfernung vom leichtgewichtigen Kehraus früherer Werke und seines manipulativen Umgangs auf motivischer Ebene erkennt A. Peter Brown in ihm nicht weniger als einen der bedeutendsten Entwicklungsschritte des großen Sinfonikers4.

1 Zur Frage der Datierung von Hob. I:33 vgl. Ullrich Scheideler, „Vorwort“, in: Joseph Haydn-Institut Köln (Hg.): Joseph Haydn. Sinfonien um 1761 – 1765, München 2012 (= Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 2), S. VIIIf.
Laut einem Archivale der Esterházy Privatstiftung Archiv Burg Forchtenstein [23.05.1762, GC 1762 R 5 F 4 N 8] „Eisenstädter Thurnermeister quittiert Bezahlung für Trompeten- und Paukenmusik bei Installationsfeier am 18. Mai“ (http://www.haydnstiftung.at/EHB10/ehb.php, Abruf: 03.03.2021).
Vgl. Sepp Gmasz, „Die Musik der Bürger“, in: Harald Prickler und Johann Seedoch (Hg.): Eisenstadt: Bausteine zur Geschichte. Eisenstadt 1998, S. 155–166, hier insb. S. 157–161 (Abschnitt „Die Ratsmusikanten dominieren das 18. Jahrhundert“)
A. Peter Brown: The Symphonic Repertoire Vol. II: The First Golden Age of The Viennese Symphony: Haydn, Mozart, Beethoven, and Schubert. Bloomington & Indianapolis 2002, S. 47.  

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Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 54 in G-Dur, Hob. I:54, erweiterte Fassung (1775 – Frühjahr 1776)

Adagio maestoso – Presto / Adagio assai / Menuet. Allegretto – Trio / Finale. Presto 

54

SINFONIE NR. 54 G-DUR HOB. I:54, erweiterte Fassung (1775 – Frühjahr 1776)

Besetzung:
a) urspr. Fassung: 2Ob, Fg, Hr, Str, ohne Einleitung
Entstehungsjahr: [1. Hälfte?] 1774
b) erweiterte Fassung: mit 2 Fl, 2 Fg, 2 Trp, Pk, mit Einleitung
Entstehungsjahr: [1775-Frühjahr 1776]

Adagio maestoso – Presto / Adagio assai / Menuet. Allegretto – Trio / Finale. Presto

 

von Christian Moritz-Bauer

Einen Quintsprung bzw. in Jahrzehnten etwa anderthalb von Haydns früher festlicher C-Dur–Sinfonie entfernt, liegt ein Werk, dessen unterhaltsamer, theatralischer Stil sich ,problemlosʻ in die Zeit der legendären großen Hoffeste auf Schloss Eszterház einfügt – 1772 zum Besuch des französischen Gesandten Prinz Rohan, 1773 für Kaiserin Maria Theresia, 1775 für Erzherzog Ferdinand Karl und seine Gemahlin Maria Beatrice Ricciarda aus dem zu Modena ansässigen Haus Este veranstaltet. Egal, ob es die Urfassung des auf 1774 datierten Autographen, oder die darin später nachgetragene, stimmlich erweiterte Fassung von ca. 1775/76 ist, die auf den Pulten liegt – die ,gute Nachbarschaftʻ, die Hob. I:54 mit Werken wie der Sinfonie Nr. 60 «Il distratto» oder Sinfonie Nr. 67 pflegt, ist unüberhörbar. Angesicht der üblicherweise, so auch durch das Kammerorchester Basel präsentierten Fassung mit hinzugefügten Stimmen für je zwei Flöten und Trompeten, für Pauken und ein zweites Fagott, mag man sich natürlich fragen, was den Ausschlag für die einst vorgenommene beträchtliche Vermehrung innerhalb des Bläserapparats gab. Immerhin ließ sie die G-Dur–Sinfonie, die zuvor ganz gewöhnlich mit zwei Oboen, zwei Hörnern und einem einzelnen, allerdings über weite Strecken bereits vom Streicherbass unabhängig geführten Fagott besetzt war, mit einem Mal auf die Dimension der gattungsgleichen Werke von Haydns späterer, erster Londonreise anwachsen. Der Grund hierfür dürfte in der Neubesetzung etlicher Musikerposten um die seinerzeitige Jahreswende und dem mit April 1776 einsetzenden allabendlichen Theaterbetrieb auf Schloss Eszterház zu finden sein. Drei neue Oboisten – von denen zwei sich auch auf das Spiel der Traversflöte verstanden – sowie einen jüngst eingestellten, aus Wien ,importiertenʻ Fagottisten galt es zu präsentieren – kein geringes Unterfangen, wenn es zu gleicher Zeit noch die feierliche Eröffnung der Opernsaison vorzubereiten gab! Ob sich das auch mit einer bereits aufgeführten, dem Anlass entsprechend mit orchestralen Farben erweiterten Instrumentalkomposition bewerkstelligen ließ? An Zuversicht sollte es offenbar nicht mangeln...

Im ersten Moment mag sie tatsächlich etwas ,aufgeputztʻ wirken, die gleichsam nachgereichte, über siebzehn Dreivierteltakte im majestätischen Adagio dahinschreitende Einleitung zur Sinfonie Nr. 54. Was deren erste Niederschrift betrifft, so muss sie sich ursprünglich auf einem gesonderten Blatt befunden haben, denn das in der Budapester Eszterházy Sammlung bewahrte Autograph steigt erst mit dem Presto des Kopfsatzes und seiner kühnen, anfänglichen Mischung aus tief gelegter Bläsermelodie zu getupftem Paukenfell und unisono geführter Streicherbegleitung ein. Wem mag es da schwerfallen, der hierzu von H. C. Robbins Landon kreierten Vorstellung eines der esterházyschen Opernbühne entkommenen Buffone1 zu folgen? Das Klopfen der Streicher nimmt ostinatohafte Züge an und bemächtigt sich alsbald weiter Teile des musikalischen Geschehens. Dann Schnitt, Generalpause. Wie um zu verhindern, dass allmählich so etwas wie vieltönende Eintönigkeit entsteht, legt unser Spaßmacher mit einem Mal – Verfechter der Sonatensatz-Theorie würden Ort und Stelle des Geschehens als „Durchführung“ deklarieren – ganz andersfärbige, vermutlich gelbe2 Kleider an. Noch eine Generalpause und das Spiel beginnt wieder von vorne. Allerdings hat Harlekin oder Hanswurst oder Wen ihr wollt noch einen letzten Spaß auf Lager: einen Trugschluss mit Septnonakkord und Fermate – noch dazu im Pianissimo und nur wenige Takte entfernt vom Doppelstrich.

Nach solcherlei imaginärem Mummenschanz wird es doch höchste Zeit für etwas Ruhe. Und ausruhen dürfen Sie sich, wertes Publikum, nun wirklich und im wahrsten Sinn des Wortes – zu einem der längsten langsamen Sätze, die Haydn jemals geschrieben hat. Aber keine Sorge – aufgrund der „traumähnlichen Schönheit“3 des Adagio assai verbleiben Sie dort sicher überaus gerne für eine Weile ... oder zwei. Die Violinen sind gedämpft, der durch die Stimmen des Orchesters ziehende Gesang mit seinen vielen kleineren, sich auf- und alsbald wieder abbauenden harmonischen Spannungen ist von berückender bis tröstlicher Intensität. Die Hörner steuern tiefenentspannende Pedaltöne bei (bis hin zum Kontra-C) und zu guter Letzt treibt uns eine voll ausgeführte Kadenz von Violino I und II vollends in Morpheus' Arme. Was ist wohl die beste Medizin gegen einen auf solch kunstvolle Weise herbeigeführten wohligen Schlummer? Ein rustikaler Menuet mit schnalzenden Achtelvorschlägen und schwungvollen Drehfiguren – dazwischen ein munteres Liedchen von den Lippen des Solofagottisten! Samt seiner Kollegin wird er auch im an- wie abschließenden zweiten Presto überaus gut beschäftigt sein. Schließlich ist es ihr mit den tiefen Streichern geteilter Walking Bass, der in Verbindung mit der zugleich ausgeführten synkopischen Bewegung der mittleren (bis hohen) Streicher und jeweils abgelöst von einer kurzen, Murky Bass-unterlegten Passage den eigentlichen Motor des hin- und mitreißenden Finalsatzes bildet.

Vgl. H. C. Robbins Landon: Haydn: Chronicle and Works, Vol. 2, Haydn at Eszterháza: 1766-1790. London 1978, S. 307f.
Vgl. Justus Johannes Heinrich Ribock: „Über Musik, an Flötenliebhaber insonderheit“, in Carl Friedrich Cramer (Hg.): Magazin der Musik, Jg. 1, Hamburg 1783, S. 686–736, hier S. 708: E dur, wie wenn ein sonst Zanksuechtiger recht froelich, oder lieber lustig ist: eine Haerte bleibt fuehlbar. Gelb ist die Farbe und Macis Geruch.
H. C. Robbins Landon: The Symphonies of Joseph Haydn. London 1955, S. 329: „dream-like beauty“. 

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Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonia D-Dur (Ouvertüre zu «Genovefens vierter Theil»?) Hob. Ia:7 (1777)

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SINFONIA D-DUR (OUVERTÜRE ZU «GENOVEFENS VIERTER THEIL»?) HOB. IA:7 (1777)

Presto (verwendet als 4. Satz in Hob. I:53, Frühfassung B, um 1777/78?)

 

von Christian Moritz-Bauer

Haydns Sinfonie Nr. 53 stellt in seiner (handschriftlichen) Überlieferung ein alles andere als unproblematisches Werk dar, was sich etwa dadurch zeigt, dass Antony van Hoboken einst in sein Haydn-Werkverzeichnis nicht weniger als sieben verschiedene Fassungen der selbigen aufgenommen hatte. Von diesen blieben nach eingehenden wissenschaftlichen Untersuchungen allerdings schlussendlich nur zwei ‚authentische‘ Fassungen über: eine Frühfassung (Hobokens „Fassung B“) sowie die in No. 14 L’Impériale wiedergegebene, für „endgültig“ befundene „Fassung A“1.  Der Unterschied zwischen den beiden besteht v. a. darin, dass „Fassung B“, die in handschriftlicher Form eine nicht unerhebliche Verbreitung erfuhr, noch über keine langsame Einleitung und dazu einen anderen, wohl provisorisch angefügten Schlusssatz verfügte, als jenes Capriccio Moderato, mit dem Haydn schließlich sein Werk zu beenden gedachte. Es war dies ein Satz in D-Dur und Tempo Presto, der im Gegensatz zu den Sätzen 1-3 von Hob. I:53 als Autograph überliefert und mit der Jahreszahl 1777 datiert ist, somit also in seiner Niederschrift der Wandlung von Sinfonie Nr. 53 in ihre „Fassung A“ um etwa ein Jahr vorausgegangen war. Auffällig an jenem Prestosatz ist, dass dieser ursprünglich mit Überleitung und Halbschluss auf der Dominante G-Dur endete, also recht offensichtlich als Ouvertüre zu einem Bühnenwerk verfasst worden war – ein Umstand dem Haydn zunächst dadurch Abhilfe zu schaffen versuchte, dass er die Überleitung strich und direkt davor ein „Fine“ mit anschließenden, doppelten Taktstrichen setzte. Später, nachdem Hob. I:53 zwischenzeitlich seine endgültige Form gefunden hatte und vermutlich bei einer der auf Schloss Eszterház gegebenen Akademien zu Anfang des Jahres 1778 zur Aufführung gebracht worden war, sollte Haydn abermals eine Verwendung für den ‚verwaisten‘ Ouvertürensatz finden und zwar im Zuge einer weiteren, wiederum in scheinbarer Eile erstellten Komposition in D-Dur, der Sinfonie Nr. 62 von 17802, bei der er ihn diesmal allerdings als Kopfsatz verwendete und dahingehend einer vergleichsweise umfangreicheren Bearbeitung unterzog.
Auf der Suche nach jenem Bühnenwerk, dem die Ouvertüre, die im Hobokenverzeichnis die Nummer Ia:7 trägt, einst zugedacht war, geriet dem Haydn-Forscher Stephen C. Fisher ein Werk des auf Schloss Esterház seit 1773 betriebenen Marionettentheaters in die Hände, besser gesagt ein Libretto zu dem selbigen, das infolge seines Titelzusatzes „im Sommer 1777 zum ersten Male aufgeführet“ wurde. Der Sommer 1777 wiederum, genauer gesagt die Tage zwischen dem 3. und 6. August, standen unter dem Zeichen der Feierlichkeiten zur Hochzeit des zweitältesten Sohnes von Fürst Nikolaus I. Joseph, dem Grafen Nikolaus Laurenz mit Maria Anna Franziska geb. Reichsgräfin Ungnadin von Weissenwolff, einer Nichte seiner Frau Maria Elisabeth, die mit der Uraufführung von Haydns Oper „Il mondo della luna“ begannen und mit einer Aufführung des Marionettensingspiels „Genovefens vierter Theil“ endeten. Letzteres stellte den abschließenden Teil einer Tetralogie aus der Feder des damaligen Direktors der esterházyschen Marionettenbühne, Carl Michael von Pauerspach, dar und muss – im Gegensatz zu den ihm einst vorangestellten Teilen 1-3 – auch mit einem gewissen, von Haydn persönlich stammenden kompositorischen Anteil über die Bühne gegangen sein. Schließlich wird es in der „Biographischen Skizze“ von Albert Christoph Dies als eines seiner eigenen Werke, im zwischen ca. 1799 und 1804 erstellten Verzeichnis von „275 Verschiedene[n] Opern, Oratorien, Marionetten, und Cantatten Büchel“, welche sich einst im Besitz des esterházyschen Kapellmeisters befanden, allerdings als „von verschieden Meistern“ stammend ausgewiesen3.  Fisher stellte jedenfalls fest, dass jene sechs Bifolianten (Doppelblätter), die das Autograph der Ouvertüre Hob. Ia:7 bilden, aus denselben Papiersorten besteht, wie diejenigen der Partitur von „Il mondo della luna“. Außerdem beweisen an dem selbigen seitlich angebrachte Löcher, dass es einst Teil einer größeren, zusammengenähten Partiturhandschrift gewesen sein muss. Insgesamt hält Fisher – und folglich auch ein nicht geringer Teil der Haydn-Forschung – die Übereinstimmung von Hob. Ia:7 mit der Ouvertüre des (verlorengegangenen) Marionettensingspiels „Genovefens vierter Theil“ weiterhin für „eine Hypothese, wenngleich eine sehr attraktive“4

1 Vgl. Stephen C. Fisher, Sonja Gerlach, „Vorwort“, in: Joseph Haydn-Institut Köln (Hg.): Joseph Haydn. Sinfonien um 1777 – 1779, München 2002 (= Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 9), S. IX-XI.
Vgl. Haydn2032 No. 15 „La Reine“.
Vgl. H. C. Robbins Landon, Haydn: The Late Years 18001–1809. London: Thames and Hudson, 1977 (= Haydn: Chronicle and works Bd. 5), S. 320–325.
Vgl. / zit. nach Stephen Carey Fisher, Haydn’s Overtures and their adaptions as concert orchestral works, Ph. D. Diss., University of Pennsylvania (Philadelphia), 1985, S. 301–303.

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Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 53 in D-Dur «L'Impériale» Hob. I:53, Fassung A (1778?)

Largo maestoso – Vivace / Andante / Menuet (Allegretto) – Trio / (Finale.) Capriccio Moderato

53

SINFONIE NR. 53 D-DUR «L'IMPÉRIALE» HOB. I:53, Fassung A

Spätfassung: mit Einleitung, Finale: Capriccio Moderato
Besetzung: Fl, 2 Ob, Fg, 2 Hr, Pk (nur im 1. Satz), Str
Entstehungsjahr: [1778]

 

Largo maestoso – Vivace / Andante / Menuet (Allegretto) – Trio / (Finale.) Capriccio Moderato

von Christian Moritz-Bauer

Der mit April 1776 aufgenommene allabendliche Betrieb der esterházyschen Theaterbühnen mit in der Regel zweimal pro Woche, Donnerstags und Sonntags dargebotenen Opernaufführungen sowie gelegentlicher, zumeist Dienstags veranstalteter Marionettensingspiele, sollte sich für Haydn – vor allem in seiner Anfangsphase – zu einer regelrechten Belastungsprobe entwickeln. So fällt etwa auf, dass er, der sich fortan selbstredend um die Einrichtung und Einstudierung sämtlicher, d. h. vor allem fremder musikdramatischer Werke zu kümmern, die szenischen Proben durchzuführen und obendrein noch die abendlichen Vorstellungen zu leiten hatte, bis Anfang August des folgenden Jahres es nicht zustande bringen sollte auch nur eine einzige größere Neukomposition seiner selbst zu Gehör zu bringen. Dies schloss freilich auch Gattungen wie die der Sinfonie mit ein, innerhalb derer er vormals im Schnitt etwa drei bis vier pro Jahr geschrieben hatte. Mit der (thematisch gesehen) ins Zentrum des heutigen Konzerts gerückten in D-Dur – man beachte den nochmaligen Quintsprung in der Folge der Tonarten – sollte er den Faden jedenfalls wieder aufnehmen1.

Zur erstmaligen Darbietung dürfte die Sinfonie Nr. 53 im Rahmen jener sechs Konzerte (eigentlich „Academie musiche“) gekommen sein, die in kurzer Folge zwischen Freitag, 30. Januar und Donnerstag, 26. Februar 1778 im Komödienhaus zu Eszterház bzw. in den fürstlichen Gemächern des Hauptgebäudes gegeben wurden. (Möglicherweise verbirgt sie sich sogar hinter jener „Sinf: von Mr. Hayden“, die – so der frischgebackene Theaterdirektor Philipp Georg Bader – des 11. letzteren Monats nebst einer weiteren Sinfonie, diversen Arien, einem Violinkonzert und je einem Divertimento wie Concertino des böhmischen Václav Pichl zum Vortrag kam.2) Hierbei müsste es sich allerdings noch um die – auch als „Fassung B“ bekannte – offenbar in relativer Eile konzipierte Frühfassung gehandelt haben, denn nur sie bedarf der Teilnahme eines zweiten Fagottisten. (Bei diesem drehte es sich nicht zufällig um eben jenen, dessen Anstellung die erweitere Fassung der G-Dur–Sinfonie Nr. 54 einst erst mit ermöglicht hatte: Er hieß Ignaz Drobn(e)y, galt schon 1773 als „der beste in gantz Wienn“3 und verließ die esterházysche Hofkapelle, die ihn Ende Dezember 1775 in ihre Reihen aufgenommen hatte, bereits wieder per 15. April 1778.)

Sie war „die vielleicht berühmteste“4 Sinfonie Haydns zu seinen Lebzeiten. Von London ausgehend, wo sie um 1781/82 bei James Blundell als „The favorite / OVERTURE / in all the Parts / As Performed with universal Applause / at / Messrs. Bach and Abel's Concerts“ im Erstdruck erschien, durfte sie sich bald einer beachtlichen Reihe von Titel-, Nach- und Raubdrucken zwischen daselbst und Paris, zwischen Amsterdam und Berlin erfreuen. Hinzu kamen zahlreiche Arrangements, etwa für zwei Violinen, für zwei- bzw. vierhändiges Klavier, für Klaviertrio sowie für Flöte, Streichquartett und Klavier ad libitum, die sich – vor allem auf den zweiten Satz, das Andante, bezogen – ins scheinbar Endlose fortsetzen sollte. Jedenfalls scheint von diesem Werk, seiner exzeptionellen Vermarktung wie dadurch bedingten schnellen Verbreitung ein entscheidender Beitrag zu Haydns Erfolgen und späteren Auftritten in England ausgegangen zu sein.

Was aber hätte die beste, seinerzeit denkbare Verkaufsstrategie bewirken können, wenn nicht die Musik auch ganz für sich sprechen würde? Das machte sie in der Tat, und zwar auf eine leichte, unmittelbar verständliche, sozusagen ,populäreʻ Art. Kein Wunder also, dass ihr aus den Reihen der Verfechter einer Phase des „Sturm und Drang“ im kompositorischen Schaffen Joseph Haydns, oder – etwas allgemeiner ausgedrückt – der romantisch geprägten Ideologie eines Kunstwerks und des dahinter stehenden, autonom denkenden Künstlers, in noch nicht allzu ferner Vergangenheit manch abfälliges Urteil entgegengebracht worden war. Wie gut, dass diese Sichtweise heutzutage kaum mehr Anhänger findet! (Aus Forscherkreisen sind neuerdings etwa Stimmen zu vernehmen, die danach fragen, ob aus Fällen, wie sie hier verhandelt werden, nicht vieleher eine „am Klassizismus orientierte“5 neue Weise kompositorischen Denkens herauszulesen bzw. zu hören wäre. Kein Wunder jedenfalls, dass gerade diese in England auf solch fruchtbaren Boden fallen sollte, hatte sich daselbst doch schon im frühen 17. Jahrhundert die durchgehende Tradition einer – von den Werken der griechisch-römischen Antike ausgehenden – in sich harmonischen, „klassischen“ Sprache herausgebildet, die, von der Architektur ausgehend, allmählich auch auf Malerei und Bildhauerkunst, auf Literatur und Musik ausstrahlen sollte.)

Eine (in dieser Hinsicht) geradezu kongeniale ,Lesartʻ des Vivace, also des auf ein wiederum später hinzugefügtes Largo maestoso folgenden lebhaften Hauptteils im Kopfsatz der Sinfonie Nr. 53 findet sich bei Felix Diergarten: „Die Exposition ist einer jener funkensprühenden, brillanten, beim ersten Hören unmittelbar verständlichen, mitreißenden und eingängigen klassischen Allegrosätze, wie etwa auch Mozarts Ouvertüren zu Figaro oder Don Giovanni, um zwei der prominentesten Beispiele zu nennen […]. Permanente Wiederholungen kleiner und großer Versatzstücke ermöglichen eine groß dimensionierte [Vorstellung des thematischen Materials] bei gleichzeitiger Übersichtlichkeit, Fasslichkeit und rhythmischer Schlagkraft. […] Alle Abschnitte sind […] miteinander verbunden, so dass sich […] ein 84-taktiges ,Fortströmenʻ ergibt.“6 Sein Thema, in dem sich „melodische Banalität“ und „äußerst sensibel gehandhabte Klanglichkeit und Instrumentierung gegenüber [stehen]“7 sowie ein im Pianissimo und tiefer Streicherlage vergleichsweise spät eingeführtes Nebenthema prägen auch den weiteren Satzverlauf auf sehr ,unterhaltsameʻ Weise: etwa in der Durchführung, die mit „gedehnten Dissonanzen, […] melancholischen Vorhalten und chiaroscuro-Effekten“8 und „einer herrlichen Passage von ,ausgezeichneter [chromatischer] Lebhaftigkeitʻ zurück in die Reprise [führt]“9.

Mit mehr als 30 eigenen, zwischen 1783 und 1820 erschienenen Bearbeitungen (darunter etwa die Hälfte für Gesang und Klavier aber z. B. auch eine für Harfe aus der Feder des vormaligen esterházyschen Hofmusikers Johann Baptist Krumpholtz) als geradezu „sensationell populär“10beschrieben, sollte sich der zweite Satz, ein in der Form von Doppelvariationen angelegtes, d. h. zwischen Dur- und Moll-Strophen alternierendes Andante erweisen. Gemeinsam mit James Webster11 dürfen wir feststellen, dass sich eine jede zweitaktige Unterphrase aus Haydns volksliedartiger, vermutlich aber selbsterfundener Melodie von allen anderen unterscheidet. Hinzu kommt die simplizistisch-naive und dennoch so kunstvoll dezente Art, wie Haydn sich darauf verstand selbige zu begleiten und bis in den finalen Variationsteil hinein stetig zu verändern. Als besonders angenehm dürfte sein Publikum dabei das allmähliche Hinzutreten der Bläser, zunächst die Flöte samt solistisch geführtem Fagott (mit Verdoppelung der von den Violinen gespielten Melodie erst eine Oktave höher, dann tiefer), schließlich die beiden Oboen mit finalen, überaus wirkungsvollen Stimmkreuzungen, empfunden haben.

Auf ein Menuett mit rustikalen Untertönen, kontrastierendem Pianoabschnitt und jäh unterbrochener Rückkehr zum Hauptthema, (das von einer Pianissimo-Passage mit Orgelpunkt fortgeführt und mittels chromatisch absteigender Linie zu einer lautstarken Reprise des im Unisono angestimmten Themenkopf führt,) folgt dann zuletzt noch ein ausgesprochen gut gelaunter, mit Capriccio überschriebener, formal recht frei behandelter Rondosatz, der in wahrhaftig Haydn'scher Manier auch ein paar Überraschungen ,auf Lagerʻ hat: Hierzu zählen etwa eine in den mollbestimmten, zur Larmoyanz neigenden Mittelteil eingeworfene, ,französischʻ anmutende Melodie, oder jener wunderbar ausgekostete Moment nach der letzten vollständigen Wiedergabe des Ritornells, wo der Kapellmeister die Violinen mit einer im Pianissimo und staccato vorgetragenen Achtelkette förmlich ,auf der Stelle tretenʻ lässt, um den aufgestauten Bewegungdrang der selbigen, wie das bereits ,in den Startlöchernʻ stehende Orchestertutti, schließlich dann doch in eine an Pointen reiche Coda zu entlassen.

Zum bisher nicht thematisierten Beinamen der Sinfonie Nr. 53 noch ein kurzes Nachwort des Kölner Haydn-Forscher Horst Walter († 2016)12: „In den musikalischen Quellen ist er nicht greifbar, auch nicht bei Gerber13 oder Pohl14. Mandyczewski15 könnte ihn bei Deldevez (1873)16 gefunden haben. In einem früheren Nachweis, in den Zürcher Neujahrsblättern von 1831, wird L’Impériale der Pariser Sinfonie 86 (ebenfalls in D-Dur) zugeschrieben17. Scheint also der ,kaiserlicheʻ Name eine Erfindung des 19. Jahrhunderts zu sein, so ist wenigstens eine ,königlicheʻ Fußnote auszumachen: Ein Exemplar des französischen Erstdrucks trägt auf dem Umschlag einer Stimme den Zusatz ,1784 Musique du Roiʻ.“

Dass er sich für den Finalsatz dabei anfangs einer Ouvertüre bediente, die er erst kürzlich – wohl für eines der besagten Marionettenspiele – geschrieben hatte, wird noch an anderer Stelle für Erzählstoff sorgen.
Fürstlich-Esterházy'sches Familienarchiv im Ungarischen Staatsarchiv (Országos Léveltar) Budapest P 149 d. 9 B g No. 1a: Verzeichniß / der / Opern, Academien, Marionetten / und / Schauspiele / welche von / 23n. Januarii bis Xbris / 1778. / auf den / Hochfürstlichen Bühnen / in Esterhatz / gegeben worden sind. Abgerufen am 21.01.2021 über: Josef Pratl, Herbibert Scheck (Hg.): Esterházysche Musik-Dokumente, Wien 2017 (= Eisenstädter Haydn-Berichte 10).
Zit. nach: Stephen C. Fisher, Sonja Gerlach, „Vorwort“, in: Joseph Haydn-Institut Köln (Hg.): Joseph Haydn. Sinfonien um 1777 – 1779, München 2002 (= Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 9), S. VII.
H. C. Robbins Landon, „Vorwort“, in Helmut Schultz (Hg.): Joseph Haydn. Kritische Ausgabe sämtlicher Symphonien, Band V: Sinfonien 50–57, Wien 1963, S. IX.
Anselm Gerhard: London und der Klassizismus in der Musik. Die Idee der „absoluten“ Musik und Muzio Clementis Klavierwerk, Stuttgart und Weimar 2002, S. 196.
Felix Diergarten: „Jedem Ohre klingend“: Formprinzipien in Haydns Sinfonieexpositionen, Laaber 2012, S. 155.
Ebd., S. 156.
Ebd., S. 160.
James Webster, „Hob.I:53 Symphonie in D-Dur („L'Impériale“)“, zit. nach haydn107.com/Sinfonien/53 (Abruf: 21.01.2021)
10 H.C. Robbins Landon: Haydn: Chronicle and Works, Vol. 2, Haydn at Eszterháza: 1766-1790. London 1978, S. 561: „sensationally popular“.
11 Vgl. Fußnote 9.
12 Horst Walter, „Über Haydns „charakteristische“ Sinfonien“, in: Gerhard J. Winkler (Hg.): Das symphonische Werk Joseph Haydns. Referate des internationalen musikwissenschaftlichen Symposium Eisenstadt, 13.–15. September 1995, Eisenstadt 2000 (=Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 103), S. 65–78, hier: S. 66.
13 Ernst Ludwig Gerber: Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, 2. Theil, Leipzig 1812..
14 Carl Ferdinand Pohl, deutsch-österreichischer Musikhistoriker, Archivar und Komponist. „Er veröffentlichte mehrere thematische Verzeichnisse: 1867 (Mozart und Haydn in London, 2. Abt., Wien, S. 365f.) Londoner Sinfonien; 1879 (A Dictionary ofMusic and Musicians, In two volumes, hrsg. v. George Grove, Vol. I, London) Londoner und „Symphonies which are known by titles“; 1882 (Joseph Haydn, Bd. II, Leipzig, Anhang, S. 1-3) 63 durchnumerierte Sinfonien aus den Jahren 1766-1790. Auf zahllosen handgeschriebenen Zetteln (Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien) hat Pohl zudem Vorarbeiten für einen thematischen Werkkatalog geleistet.“
15 Eusebius Mandyczewski (Hg.): Joseph Haydns Werke. Erste kritisch durchgesehene Gesamtausgabe, Serie 1: Symphonien, Band 1, Leipzig [1908]
16 Edouard-Marie-Ernest Deldevez: Curiosités Musicales, Notes, Analyses, Paris 1873. Darin: „Catalogue thematique des Symphonies de J. Haydn“, S. 29–53. Der Eintrag von Sinfonie Nr. 53 – hier also vermutlich zum allerersten Mal mit „L'Impériale“ als Beiname befindet sich auf Seite 32/33.
17 Johann Georg Bürkli: Biographie von Joseph Haydn. Zweyte Abtheilung, Zürich 1831 (=XIX. Neujahrsgeschenk an die Zürcherische Jugend von der allgemeinen Musik-Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 1831 / Neunzehntes Neujahrsstück der allgemeinen Musik-Gesellschaft in Zürich). Darin: „Verzeichniß sämmtlicher Werke von Joseph Haydn, aus Gerbers Tonkünstler-Lexikon, aus vielen andern Quellen, und aus den besten bestehenden Musikalien- Catalogen ausgezogen “, S. 24ff., hier S. 25.

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Besetzung

Kammerorchester Basel
Giovanni Antonini,
Dirigent

  • Besetzungsliste Orchester

    1. Violine Baptiste Lopez, Daniel Bard, Nina Candik, Valentina Giusti, Elisabeth Kohler, Matthias Müller
    2. Violine Stefano Barneschi, Anna Faber, Regula Schaer, Mirjam Steymans-Brenner, Yukiko Tezuka, Tamás Vásárhelyi
    Viola Mariana Doughty, Katya Polin, Bodo Friedrich, Renée Straub
    Violoncello Christoph Dangel, Hristo Kouzmanov, Georg Dettweiler
    Kontrabass Stefan Preyer
    Flöte Marco Brolli, Regula Bernath
    Oboe Emiliano Rodolfi, Thomas Meraner
    Fagott Carles Christobal, Letizia Viola
    Horn Konstantin Timokhine, Mark Gebhart
    Trompete Simon Lilly, Jan Wollmann
    Pauken Alexander Wäber

Konzerte

Basel
Montag, 15.03.2021, 19.30 Uhr

Don Bosco Basel, Paul Sacher Saal

Interview mit Giovanni Antonini und Andrea Scartazzini in der Pause.

Aufgrund der Corona-Pandemie fand das Konzert ohne Publikum statt und wurde als Livestream in der Global Concert Hall von Idagio ausgestrahlt. Das Konzert steht zu einem späteren Zeitpunkt auf unserem Youtube-Kanal zum Nachschauen wieder zur Verfügung. 

Rom
Mittwoch, 17.03.2021, 20.30 Uhr

Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom 

Das Konzert ist aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt.

Wien
Montag, 22.03.2021, 19.30 Uhr

Musikverein Wien, Grosser Saal 

Das Konzert ist aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt.

Biografien

Kammerorchester Basel
Orchester

Kammerorchester Basel

Orchester

Das Kammerorchester Basel ist fest in Basel verankert – mit den beiden Abonnements-Reihen im Stadtcasino Basel sowie in dem eigenen Proben- und Aufführungsort Don Bosco Basel. Weltweit und mit mehr als 60 Konzerten pro Saison ist das Kammerorchester Basel auf Tourneen unterwegs, an internationalen Festivals und in den wichtigsten europäischen Konzertsälen stets gerngesehener Gast.

2019 als erstes Orchester mit einem Schweizer Musikpreis geehrt, zeichnen das Kammerorchester Basel Exzellenz und Vielseitigkeit sowie Tiefgang und Durchhaltevermögen aus. Es taucht mit seinen Interpretationen tief in die jeweiligen thematischen und kompositorischen Welten ein: in der Vergangenheit mit dem «Basler Beethoven» oder mit Heinz Holliger und unserem «Schubert-Zyklus». Oder wie mit dem Langzeitprojekt Haydn2032, der Einspielung und Aufführung aller Sinfonien von Joseph Haydn bis ins Jahr 2032 unter der Leitung von Principal Guest Conductor Giovanni Antonini und gemeinsam mit dem Ensemble Il Giardino Armonico. Ab der laufenden Saison hat sich das Kammerorchester Basel vorgenommen, sich unter der Leitung des Alte-Musik-Spezialisten Philippe Herreweghe allen Sinfonien von Felix Mendelssohn Bartholdy zu widmen.

Mit ausgewählten Solistinnen und Solisten wie Maria João Pires, Jan Lisiecki, Isabelle Faust oder Christian Gerhaher arbeitet das Kammerorchester Basel immer wieder gerne zusammen. Unter der künstlerischen Leitung der KonzertmeisterInnen sowie unter der Stabführung ausgewählter Dirigenten wie u.a. Heinz Holliger, René Jacobs oder Pierre Bleuse präsentiert das Kammerorchester Basel sein breites Repertoire.

Die Konzertprogramme sind so vielfältig wie die 47 Musikerinnen und Musiker und reichen von Alter Musik auf historischen Instrumenten über historisch informierte Interpretationen bis hin zu zeitgenössischer Musik.

Ein Herzstück der Arbeit bildet die zukunftsweisende Vermittlungsarbeit bei partizipativen Grossprojekten im kreativen Austausch mit Kindern und Jugendlichen.
Eine umfangreiche, vielfach preisgekrönte Diskografie dokumentiert das künstlerische Schaffen des Kammerorchester Basel.

Seit 2019 ist die Clariant Foundation Presenting Sponsor des Kammerorchester Basel.

kammerorchesterbasel.ch

Giovanni Antonini
Dirigent

Giovanni Antonini

Dirigent

Der gebürtige Mailänder Giovanni Antonini studierte an der Civica Scuola di Musica und am Zentrum für alte Musik in Genf. Er ist Mitbegründer des Barockensembles Il Giardino Armonico, dessen Leitung er seit 1989 innehat. Mit dem Ensemble trat er als Dirigent und als Solist für Block-und Traversflöte in Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Südamerika, Australien, Japan und Malaysia auf. Er ist künstlerischer Leiter des Wratislavia Cantans Festival in Polen und Erster Gastdirigent des Mozarteum Orchesters und des Kammerorchesters Basel.
Antonini hat bereits mit vielen namhaften Künstlern zusammengearbeitet, darunter Cecilia Bartoli, Isabelle Faust, Viktoria Mullova, Giuliano Carmignola, Giovanni Sollima, Sol Gabetta, Sumi Jo, Emmanuel Pahud, Katia und Marielle Labèque sowie Kristian Bezuidenhout.
Dank seiner erfolgreichen Arbeit ist Antonini gefragter Gastdirigent bei vielen führenden Orchestern. So gastiert er etwa regelmässig bei den Berliner Philharmonikern, dem Concertgebouworkest Amsterdam, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Mozarteumorchester Salzburg, dem Leipziger Gewandhausorchester, dem London Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra und dem Kammerorchester Basel.
Zu seinen Opernproduktionen gehören Händels «Giulio Cesare» und Bellinis «Norma» mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen. Im Jahr 2018 dirigierte er «Orlando» am Theater an der Wien und kehrte für Idomeneo an das Opernhaus Zürich zurück. In der Saison 21/22 wird er als Gastdirigent das Konzerthausorchester Berlin, Stavanger Symphony, Anima Eterna Bruges und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dirigieren. Außerdem wird er Cavalieris Oper «Rappresentatione di Anima, et di Corpo» für das Theater an der Wien und eine Ballettproduktion von Haydns «Die Jahreszeiten» für das Wiener Staatsballett mit den Wiener Philharmonikern dirigieren. 

Mit Il Giardino Armonico hat Giovanni zahlreiche CDs mit Instrumentalwerken von Vivaldi, J.S. Bach (Brandenburgische Konzerte), Biber und Locke für Teldec aufgenommen. Mit Naïve nahm er Vivaldis Oper «Ottone in Villa» auf, und mit Il Giardino Armonico für Decca spielte er «Alleluia» mit Julia Lezhneva und «La morte della Ragione» ein, Sammlungen von Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts. Mit dem Kammerorchester Basel hat er die gesamten Beethoven-Sinfonien für Sony Classical aufgenommen und mit Emmanuel Pahud für Warner Classics eine CD mit Flötenkonzerten unter dem Titel «Revolution». Im Jahr 2013 dirigierte er eine Aufnahme von Bellinis «Norma» für Decca in Zusammenarbeit mit dem Orchestra La Scintilla.

Antonini ist künstlerischer Leiter des Projekts Haydn 2032, mit dem die Vision verwirklicht werden soll, bis zum 300. Jahrestag der Geburt des Komponisten sämtliche Sinfonien von Joseph Haydn aufzunehmen und mit Il Giardino Armonico und dem Kammerorchester Basel aufzuführen. Die ersten 12 Editionen sind beim Label Alpha Classics erschienen, jährlich sind zwei weitere Editionen geplant.

© Peter Marlow / Magnum Photos

Biografie

Peter Marlow
Fotograf, Magnum Photos

Peter Marlow

Fotograf, Magnum Photos

Peter Marlow (1952–2016), obgleich versiert in der Sprache des Fotojournalismus, war kein Fotojournalist. Er war allerdings ursprünglich einer der engagiertesten und erfolgreichsten jungen Nachrichtenfotografen Grossbritanniens und trat 1976 der Nachrichtenagentur Sygma in Paris bei. Bald darauf merkte er, dass ihm der nötige Antrieb für den Job fehlte, als er in den späten 1970ern mit Aufträgen im Libanon und in Nordirland eingesetzt war. Er stellte fest, dass sich hinter dem Klischee des betroffenen Fotojournalisten das wahre Gesicht der rücksichtslosen Ellenbogenmentalität unter Fotografen, die mit allen Mitteln nach Berühmtheit strebten, verbarg.

Nach dieser Zeit verlagerte sich Marlows Ästhetik, insofern als er hauptsächlich in Farbe fotografierte – seine Herangehensweise blieb jedoch unverändert. Die Farbe zufälliger Dinge wurde zum Schwerpunkt seiner Bilder, ganz so wie die Form und Bedeutung der Dinge Schwerpunkt seiner Schwarz-Weiss-Werke waren.

Marlow war zum Ausgangspunkt zurückgelangt. Er begann seine Karriere als internationaler Fotojournalist, kehrte nach Grossbritannien zurück, um seine Erfahrungen zu sortieren, und entdeckte eine neue bildliche Poesie, mit der er seine Heimat begreifen konnte. Mit dieser neu gefundenen Poesie machte er sich wieder auf die Reise: Er fotografierte in Japan, den USA und anderswo in Europa ebenso viel wie in Grossbritannien.

Nicht einmal da, wo wirklich nur das Nichts gedeiht, bleiben Leerstellen. Das sogenannte Natürliche, das Haydn, zumindest am Anfang seiner Laufbahn, so lebhaft erfasst und verfolgt, kennt zwar die Lücke zwischen zwei Tönen, wie denn nicht, aber Leere ist auch ihm fremd. Diese wird sogleich ausgefüllt, aufgefüllt, bewohnt, organisiert. Die Pause hat eine größere Masse als die Töne. Mit der Leere mögen sich die Malerei, die Physik herumschlagen. Haydn operiert mit der Symmetrie gegen die Stille, geht mit dem Harmoniebedürfnis gegen die Lücke an. Das ist die große Lektion des Klassizismus, dieses streng Symmetrische, Zuverlässige, fast schon kasernenhaft Disziplinierte. Die Welt selbst ist ja nichts als Wiederholung und Variation. Haydn entführt uns ins leicht theatralisch, leicht ironisch aufgefasste Unendliche. 

 

Ausschnitt aus dem Essay «Haydn im Plattenbau» von Péter Nádas


Der Essay «Haydn im Plattenbau» von Péter Nádas wird in der Schallplatten-Edition Vol. 14 erscheinen.

Biografie

Péter Nádas
Autor

Péter Nádas

Autor

Péter Nádas, 1942 in Budapest geboren, ist Fotograf und Schriftsteller. Bis 1977 verhinderte die ungarische Zensur das Erscheinen seines ersten Romans "Ende eines Familienromans" (dt. 1979). Sein "Buch der Erinnerung" (dt. 1991) erhielt zahlreiche internationale Literaturpreise. Zuletzt erschienen der große Roman "Parallelgeschichten" und seine Memoiren eines Erzählers: "Aufleuchtende Details".  Unter anderem wurde Nádas mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1991), dem Kossuth-Preis (1992), dem Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung (1995) und dem Franz-Kafka-Literaturpreis (2003) ausgezeichnet. 2014 wurde ihm der Würth-Preis für Europäische Literatur verliehen. Péter Nádas lebt in Budapest und Gombosszeg.