NO.10 __LES HEURES DU JOUR

Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini, Dirigent
Margriet de Moor, Autorin
Jérôme Sessini, Fotografie


Sinfonien Nr. 6 "Le Matin", Nr. 7 "Le Midi" und Nr. 8 "Le Soir"
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791): Serenade D-Dur "Serenata notturna"


Adam: Der tauende Morgen,
O wie ermuntert er!
Eva: Die Kühle des Abends,
O wie erquicket sie!

Joseph Haydn liebte die Natur und das Landleben. Er war im Dorf aufgewachsen, ging als Erwachsener noch gern auf die Jagd und pflegte seinen Garten. Das in Töne gekleidete Werden der Natur und ihr klingender Kreislauf sind Gegenstand seiner beiden grossen Oratorien Die Schöpfung (aus der obiges Zitat entnommen ist) und Die Jahreszeiten. Aber schon ein Menschenalter zuvor, 1761, quasi am Morgen seiner langen Laufbahn, hat Haydn ein Porträt einer in friedlicher Harmonie mit den Menschen blühenden Natur gezeichnet. Er wählte dafür den kleinsten kosmischen Kreislauf, den der Tageszeiten. Morgen, Mittag und Abend zeichnet der Komponist für seinen ersten Esterházy-Dienstherrn nach – als Sinfonien-Trilogie ein einmaliges Projekt nicht nur bei Haydn, sondern auch in der Musikgeschichte.   

Projekt Nr. 10 von Haydn2032 widmet sich diesen Werken. Als „Tageszeiten“-Sinfonien sind sie bekannt, im Hoboken-Verzeichnis tragen sie die Nummern I:6, I:7 und I:8. Aber mit Blick auf ihre französischen Titel, „Le Matin“, „Le Midi“ und „Le Soir“, liegt es näher, von „Les heures du jour“ zu sprechen. Die französischen Titel deuten wohl auch darauf hin, dass „Programmmusik“ dieser Art vor allem in Frankreich beheimatet war; aber auch Vivaldis Programm-Konzerte könnten einen Einfluss ausgeübt haben. Der Fürst Paul Anton Esterházy selbst soll Haydn das Programm aufgegeben haben, wohl auch um das neu gegründete Instrumentalensemble von 14 Musikern entsprechend zu präsentieren. Haydn, zu diesem Zeitpunkt noch Vize-Kapellmeister, komponierte denn auch für fast alle Musiker, auch sich selbst an der ersten Violine, zumindest einmal die Gelegenheit, als Solisten zu glänzen. 

Programm

Franz Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 6 D-Dur «Le Matin» Hob. I:6 (Eisenstadt / Wien 1761)

Adagio – Allegro / Adagio – Andante – Adagio / Menuet – Trio / Finale. Allegro

6

SINFONIE NR. 6 D-DUR «LE MATIN» HOB. I:6 (Eisenstadt / Wien 1761)

Besetzung: Fl, 2 Ob, Fg, Hr, Str (mit Solo-Str)
Entstehungsjahr: bis 1733 [1761]

Adagio – Allegro / Adagio – Andante – Adagio / Menuet – Trio / Finale. Allegro

 

von Christian Moritz-Bauer

 

Der wenigstens auf Drey Jahr lang beschlossen[e] Dienstvertrag, den Joseph Haydn als frisch gebackener Vice – Capel – Meister am 1. Mai 1761 in den Räumen des Palais Esterházy in der Wallnerstraße zu Wien unterzeichnete, band ihn an insgesamt vierzehn mehr oder weniger streng formulierte Klauseln. Für ein Salär von 400 rheinischen Gulden verpflichtete er sich darin, Verantwortung für die gesamte esterházysche Musikpflege in Wien sowie den verschiedenen fürstlichen Herrschaften (mit Ausnahme der Chor – Musique in Eisenstadt) zu übernehmen und diese auf Verlangen Sr. Hochfürstl. Durchlaucht mit neuen Kompositionen zu versorgen. Weiterhin solle er […] all-täglich […] vor – und nach Mittag in der Anti – Chambre erscheinen, und sich melden lassen, allda die Hochfürstl. Ordre, ob eine Musique seyn solle? abwarthen.

Von einer Situation wie eben dieser scheint also die Rede zu sein, als Albert Christoph Dies im auf den 11. Mai 1805 datierten „Fünften Besuch“ seiner Biographischen Nachrichten von Joseph Haydn berichtet, wie jener einst von seinem Fürsten „die vier Tageszeiten zum Thema einer Komposition“ erhalten habe. Auch wenn es sich bei den daraus resultierenden Tonschöpfungen nicht um vier und schon gar nicht um solche „in Form von Quartetten“ handelte, so zählen sie doch ohne Zweifel zu den am häufigsten gespielten Frühwerken Haydns: Die Sinfonien Le Matin, Le Midi und Le Soir.

Während Le Midi sich in einem auf das Jahr 1761 datierten, in der persönlichen Sammlung des Komponisten zeitlebens wie einem Schatz gehüteten Autograph erhalten hat, sind im Fall seiner beiden Schwesternwerke nur Abschriften auf uns zugekommen, allerdings solche, die aufgrund ihrer einschlägigen, meist französisch gehaltenen Titel und ihrer kompositorischen Eigenarten keine Zweifel an der gemeinsamen zyklischen Zusammengehörigkeit aufkommen lassen.

Manch komponiertes Vorbild hat man im Laufe der Zeit an Haydns Tageszeiten-Sinfonien festzumachen versucht: Von der Thematik her betrachtet wäre da z. B. ein der Feder von Gregor Joseph Werner, seinem damaligen Vorgesetzten entstammender Neuer und sehr curios-Musicalischer Calender, Parthien-weiß mit 2 Violinen und Basso ò Cembalo in die zwölf Jahrs-Monat eingetheilet. Oder eine Serie aus vier Ballettmusiken – Le Matin, Le Midi, Le Soir und La Nuit betitelt, die „die Land-Beschäftigung und -Unterhaltung durch die vier Tags Zeiten“ zum Ausdruck bringen versuchten. Sie wurden dem Komponisten Joseph Starzer zugeschrieben und 1755 in Laxenburg choreographiert von Franz Anton Hilverding zur Aufführung gebracht. Zum absoluten Favoriten unter den tönenden Vorbildern der Haydnschen Triologie hat die über Musik schreibende Zunft allerdings Antonio Vivaldis Le quattro stagionibenannte Reihe aus vier Violinkonzerten deklariert, die dieser als Teil der Sammlung Il cimento dell’armonia e dell’inventione, seinem Opus 8, dem Grafen Wenzeslaus von Morzin gewidmet hatte. (Letzterer war übrigens ein Onkel zweiten Grades von Haydns erstem Dienstherren, Karl Joseph Franz von Morzin und Vivaldis Werksammlung zudem Teil des unter Paul Anton um das Jahr 1740 angelegten Thematischen Katalogs der fürstlich-esterházyschen Notenbestände gewesen).

Ein weiteres Diskussionsfeld setzt sich aus Fragen nach möglichen, (un)mittelbaren Anlässen zur Komposition, des dahin führenden Auftrags, sowie dem genauen Wann und Wo ihrer Uraufführung zusammen. Dazu ein paar Antworten, welche die bisherige Haydnforschung in weitgehend verlässlicher Form aus dem Dunkel der Vergangenheit zutage fördern konnte:
Die Tageszeiten-Sinfonien dürften tatsächlich in zeitlicher Nähe des Vertragsschlusses mit Haydn und weiterer Aufnahmen in die esterházysche Hofkapelle, wie etwa die des Flötisten und Oboisten Franz Sigl (7. Mai 1761) entstanden sein – den Untersuchungsergebnissen Sonja Gerlachs zufolge allerdings erst nach den Sinfonien Nr. 15 und 3, die beide schon bei Haydn2032 zu erleben waren1. Für einen entstehungszeitlichen Anhaltspunkt sorgt überdies eine von Karl Graf von Zinzendorf am Abend des 22. Mai 1761 besuchte musikalische Soirée im Palais Esterházy, bei der ein im Kopfsatz von Le Soir zitierter Gassenhauer „Je n'aimais pas le tabac beaucoup“ zum Vortrag kam. (Kein geringerer als Christoph Willibald Gluck hatte ihn zur Produktion einer Opéra comique namens Le Diable a quatre durch das Wiener Théâtre Français im Jahr 1759 komponiert, ein Kassenschlager, der erst wenige Wochen zuvor, am 11. April 1761 eine Wiederaufnahme bekommen sollte.) Hinzu kommt ein astronomisches Ereignis, das in aufklärerisch gebildeten Kreisen seinerzeit für reichlich Gesprächsstoff sorgte und der Hauptstadt des Habsburgerreiches in der Person des César François Cassini de Thury einen illustren Gast bescherte, der in den Wiener Adels-Salons jener Tage wie allgegenwärtig erschien: Die Venuspassage vom 6. Juni 1761. Ihre Beobachtung und gleichzeitige Vermessung von verschiedenen über den ganzen Globus verteilten Orten sollte der Wissenschaft Auskunft über den Abstand der Erde zur Sonne vermitteln, und schließlich – wenngleich erst in späteren Jahrhunderten – zur exakten Bestimmung der sogenannten Astronomischen Einheit führen. Da es auch in der Familiengeschichte der Esterházy ein geradezu dynastisches Interesse in puncto Sternenkunde zu verzeichnen gibt, könnte das besagte Himmelschauspiel durchaus mit in die Themenvorgabe hinein gespielt haben, zumal in der Person Paul Antons ein ehemaliger Student der Universität Leiden2 den Auftrag zur Komposition der Tageszeiten erteilte. Sie, so Elaine Sisman, wäre nämlich nicht allein dem damals in Schrift und Bild weit verbreiteten Motiv des einfachen ländlichen vom Rhythmus der Natur abhängigen Lebens, sondern ganz konkret dem tageszeitlichen Verlauf der Sonnenbahn bzw. dem Stand unseres Licht und Wärme spendenden Himmelskörpers, am Morgen, zu Mittag und am Abend gewidmet: „Haydns Sonne“, mit der die Musik ganz programmatisch beginnt, „beleuchtet die Welten von Wissenschaft und Religion sowie Natur und Kunst.“3

Von den drei Sonnenaufgängen aus Haydns kompositorischem Œuvre stellt derjenige aus Le Matin das mit Abstand jüngste Beispiel dar. Wie seine Vergleichsmomente aus der Schöpfung (UA: 30. April 1798; Instrumentalvorspiel zum Rezitativ des Uriel „In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf“) und Die Jahreszeiten (UA: 24. April 1801; „Sie steigt herauf, die Sonne“, Chor mit Soli aus „Der Sommer“) so steht auch er in D-Dur (hier wie in der Schöpfung sogar auf einem einzelnen, unbegleiteten Ton D beginnend), arbeitet eine aufsteigende Notenskala heraus und kadenziert zum dynamischen Höhepunkt auf der Dominante.

Dass Paul II. Anton nicht nur ein leidenschaftlicher Liebhaber der Musik – und zwar in beiden seinerzeit führenden nationalstilistischen Ausprägungen, der italienischen wie der französischen – sondern auch ein Flötist von beachtlicher Begabung war, galt seinem gesellschaftlichen Umfeld als offenes Geheimnis. So erklärt sich auch der für Haydns sinfonisches Frühwerk durchaus untypische Beginn des auf den Sonnenaufgang folgenden Allegros: Im Piano erklingt der (bald von den Oboen imitierte) Weckgesang der Flöte, auf den sich die Natur in abwechselnden Forte- und Piano-Abschnitten zu regen beginnt. Wenn schließlich anstelle des erwarteten Eintritts der Reprise die Hörner mit lautschallendem Unisono dem Flötenthema um zwei Takte vorauseilen, so ist dies gewiss als Anspielung auf eine andere große Leidenschaft zu verstehen, die hier mit dem Fürsten „durchzugehen“ scheint: die Jagd, natürlich...

Vom folgenden, durch ein kurzes Adagio gerahmten Andante lesen wir bei Hermann Kretzschmar, dass es sich dabei um die Parodie einer morgendlichen Solmisationsstunde nebst folgender, humorvoller Anspielungen auf schulmeisterliche Kunstfertigkeiten handeln solle.4 Sisman widerspricht dem entschieden und erkennt hierin das Auf- und Absteigen weiterer, die Morgensonne begleitender Himmelskörper wie etwa der Mond oder die bereits erwähnte Venus: „Der Morgen hat die Verbannung der Nacht zur Folge, eine Wende von Diana zu Aurora, die die zunehmende Irrelevanz des Mondes offenbart – selbst wenn er in der Regel noch im Morgengrauen am Himmel gegenwärtig ist.“5 In diesem Sinn wäre das Bild des Gesangslehrers wohl in das des Helios (oder seines Nachfolgers Apollon) mit dem von Horen begleiteten Sonnenwagen abzuändern, eine mythologische Gestalt, die die Fürsten Esterházy, zur ikonographischen Überhöhung ihrer selbst, wiederholt auf den Deckenfresken ihrer prachtvollen Schlossbauten anbringen ließen.

Nachdem die Mondwolken vertrieben sind, macht ein Menuett von sich hören, in dem sich die Sonne als Tanzmeisterin hervortut. Zu den Solisten am Parkett zählen abermals die Flöte, dazu die Oboen, das Fagott und schließlich im Trio die Viola wie erstmals im vorliegenden Zyklus der fünfsaitige Violone, auch Wiener Quart-Terz-Violon genannt. Den Finalsatz, ein Allegro, hat H. C. Robbins Landon einst mit der treffenden Metapher „Neuer Wein in alte Flaschen gegossen“ bedacht und meint damit, dass hier das kompositorische Prinzip des Concerto grosso – die Flöte, das Violoncello, ja selbst beide Hörner, vor allem aber der von Haydn persönlich übernommene Part des Violino principale werden mit solistischen Aufgaben bedacht – mit neuem Leben erfüllt erscheint.6

In Achtung des einst von Peter Gülke vorgebrachten Einwands in Bezug auf die mannigfaltigen Deutungsversuche von Haydns Tageszeiten – „er leiht sich den Anschein des ganz und gar Programmatischen und schreibt [doch] Musik von so autonomer Struktur, dass es des Anhalts an Vorstellungen, wie sie die Titel vorgaben, eigentlich nicht bedarf“7 – sind wir mit unseren Betrachtungen bei Le Midi angekommen, dem einzigen Werk des heute erklingenden Zyklus, von dem die Eigenschrift des Komponisten erhalten geblieben ist.

Mit seiner von großer Geste bewegten langsamen Einleitung, aus der französischen Ouvertüre entlehnten markanten Punktierungen und breit aufgefächertem zwölfstimmigen Partiturbild vermag der Kopfsatz der C-Dur-Sinfonie durchaus die Vorstellung eines prächtigen Mittagsmahls mit begleitender Tafelmusik evozieren. Letzteres „bestätigt“ sich gewissermaßen im anschließenden Allegro durch seine von rauschender Sechzehntelbewegung ummalten konzertierenden Alleingänge zweier Soloviolinen, eines Solocellos, sowie beider Oboen und des Fagotts auf Seite der Blasinstrumente. Doch mit einem Male schlägt sie um, die festliche Stimmung. Sollte die nun folgende Satzkombination aus düster hereinbrechendem Instrumentalrezitativ und „befreiendem“ Übergang in einen „reich figurierten Zwiegesang zwischen einer Solovioline und einem Solocello“8 samt auskomponierter Kadenz tatsächlich als Parodie eines „nach dem Mahle“9 veranstalteten Mittagskonzert zu verstehen sein, so hätte man dem Publikum daraufhin wohl einst eine kräftige Verdauungshilfe reichen müssen. Lukas Haselböck10 und abermals Elaine Sisman haben jedenfalls eine andere alternative Lesart anzubieten: Sie lehnt sich an den ersten Satz des Konzerts L'estate („Der Sommer“) aus Vivaldis Vier Jahreszeiten, mit dem der Rezitativ-Satz der Haydn-Sinfonie eine „unheimliche Ähnlichkeit“11 aufzuweisen habe. Beide würden sie einer in der antiken Dichtkunst verwurzelten Erzähltradition folgen, nach der der Mittag jene Stunde darstelle, in der „mit oft katastrophalen Folgen“ Götter für Menschen sichtbar werden und letztere eine Zuflucht aufsuchen, wenn „Licht, Hitze, […] Stille und Stillstand zu bedrückend werden.“ Eben dieser Ort, „der schattige Hain, das von plätschernden Flussläufen und frischen Brisen durchzogene Tal erscheint im nachfolgenden Adagio […] dank seiner murmelnden, in Terzen geführten Flöten umso lebhafter“12, und bereiten den Protagonisten, Violine und Violoncello, eine pastoral anmutende Szenerie. So erscheint es auch absolut passend, wenn das nun folgende Menuett sich eher rustikal als höfisch gibt, während der Schlusssatz sich abermals der kunstvollen Kombination aus Sinfonie- und Konzertsatz hingibt, wobei der besondere klangliche Reiz dieses Allegros aus der kontrastreichen Gegenüberstellung der Violini concertatimit dem wieder auf ein Instrument reduzierten Flötenpart herrührt.

Mit Le Soir und seinem sich über das gesamte Thema des Kopfsatzes hinweg bewegenden, zu guter Letzt gar im Kanon geführten Zitat des Gluckschen Tabaklieds aus Le Diable a quatre – der Name selbiger Opéra comique steht im Französischen für einen turbulenten Charakter, der viel Lärm macht und Unordnung verursacht – kehren wir zurück zu der Frage nach der Idee, die ursprünglich hinter dem Auftrag zur Komposition der sog. Tageszeiten-Sinfonien gestanden haben könnte. Daniel Heartz, der Finder des Gluck-Zitats, hat – davon ausgehend, dass Haydn einst seitens seines Dienstherren über dessen besondere, diesbezügliche Vorliebe bestens informiert gewesen war – dazu folgende These entwickelt:

Wie der Hochadel um Maria Theresia überhaupt im Zeichen französischer Kultur stand, so auch Fürst Anton Esterházy, der Paris kannte und der für sich eine Bibliothek französischer Bücher, Partituren und Bilder eingerichtet hatte, die laufend mit den letzten Neuerscheinungen aus Paris beliefert wurde, im Jahre 1761 z. B. mit Rousseaus (in Österreich verbotenen!) Schriften. Die Vermutung, dass er auch mit den Arbeiten François Bouchers, die damals hoch im Kurs standen, vertraut war, liegt nicht fern. Eine Bilderserie Die Tagesstunden im Leben einer Dame galante malte Boucher im Auftrag des Schwedischen Gesandten in Paris im Jahr 1745. Eine andere Serie, Points du Jour, enthält ein Bild namens Le Soir mit dem Untertitel La Dame allant au Bal, das Ganze von einem kommentierenden Vers begleitet.
Hat diese modische Dame vielleicht sogar Modell gestanden für Margot? Margot, die ausgeht in der Absicht zu tanzen und – anstelle des Versleins im Bilde – ihr Tabaklied zum Besten gibt. Am Ende […] erinnern wir daran, dass Haydn seine Abendsinfonie mit La Tempesta beschließt. Die Hintergründe erscheinen vieldeutig: Ist es ein Gewitter, wie es die schlimme Marquise, Margots Gegenspielerin, heraufbeschwört? Ist es der Himmel, der sich im Gewitter zusammenballt – als bewegter Ausklang am Tagesende?13

Die Vorstellung einer abendlichen, sich am Gesang, an der Schönheit des Sonnenuntergangs, am Tanz und der Behaglichkeit einer vor den abendlichen Wetterkapriolen eines heißen Sommertags schützenden Behausung erfreuenden Gesellschaft – sie könnte durchaus jenen Gedanken entsprochen haben, die Haydn einst bei seiner kompositorischen Arbeit an Hob. I:8 im Kopf herumgingen. Vielleicht wäre hier noch anzumerken, wie der Komponist im Finalsatz von Le Soir auf geniale Weise mit den überlieferten Topoi von Sturm- und Gewittermusiken umzugehen pflegt: Wider Erwarten zeigt er sich in der Verwendung der selbigen nämlich ausgesprochen umsichtig, stets darauf bedacht den Solisten seines Instrumentalensembles alle nur denkbaren Freiräume zur Präsentation ihrer virtuosen Musizierkünste zu ermöglichen.

In Giuseppe Carpanis Biographie Le Haydine lesen wir gar von einer weiteren bereits zu Paul Antons Geburtstag am 22. April 1761 verfertigten „solennen“ Sinfonie, hinter der Daniel Heartz die C-Dur-Sinfonie Hob. I:25 vermutet.
Im niederländischen Leiden würde 1633 die erste Universitätssternwarte der Welt eröffnet.
Elaine Sisman, „Haydn's Solar Poetics The Tageszeiten Symphonies and Enlightenment Knowledge“, in: Journal of the American Musicological Society, Bd. 66, Nr. 1 (Spring 2013), S 5-102, hier S. 91.
Vgl. Hermann Kretzschmar, „Die Jugendsinfonien Joseph Haydns“, in: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, 15. Jg, 1908, S. 69-90, hier S. 84.
Sisman, S. 55.
H.C. Robbins Landon, Haydn: Chronicle and Works, Bd. 1, Haydn: The Early Years: 1732-1765, London 1980, S. 556.
Peter Gülke, „Haydns »Tageszeiten«-Sinfonien“, in: Ders., Die Sprache der Musik. Essays zur Musik von Bach bis Holliger, Stuttgart, Weimar, Kassel 2011, S. 170-175, hier S. 170f.
Walter Lessing, Die Sinfonien von Joseph Haydn, Bd. 1, Baden-Baden 1987, S. 36.
Jürgen Braun, Sonja Gerlach: Sinfonien 1761 bis 1763. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Bd. 3, München 1990, Seite VIII.
10 Lukas Haselböck, „Vivaldis Le quattro stagioni und Haydns Tageszeiten-Sinfonien“, in: Laurine Quetin, Gerold W. Gruber und Albert Gier (Hg.), Joseph Haydn und Europa vom Absolutismus zur Aufklärung (= Musicorum 7), Tours 2009, S. 183-192.
11 Sisman, S. 61.
12 Sisman, S. 66.
13 Daniel Heartz, „Haydn und Gluck im Burgtheater um 1760: Der neue krumme Teufel, Le Diable à quatre und die Sinfonie „Le soir“, in: Gesellschaft für Musikforschung. Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Bayreuth 1981, hg. von Christoph-Hellmut Mahling und Sigrid Wiesmann, Kassel 1984, S. 120-135, hier: S. 132 & 135.

Sinfonie Nr. 6 "Le Matin"
VOL. 10 _LES HEURES DU JOUR

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

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Franz Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 7 C-Dur «Le Midi» Hob. I:7

Adagio – Allegro / Recitativo. Adagio – Allegro – Adagio / [Duetto.] Adagio / [Menuet] – Trio / Finale. Allegro

7

SINFONIE NR. 7 C-DUR «LE MIDI» HOB. I:7 (Eisenstadt / Wien 1761)

Besetzung: Fl, 2 Ob/2Fl, Fg, 2 Hr, Str (mit Solo-Str)
Entstehungsjahr: 1761

Adagio – Allegro / Recitativo. Adagio – Allegro – Adagio / [Duetto.] Adagio / [Menuet] – Trio / Finale. Allegro

 

von Christian Moritz-Bauer

Der wenigstens auf Drey Jahr lang beschlossen[e] Dienstvertrag, den Joseph Haydn als frisch gebackener Vice – Capel – Meister am 1. Mai 1761 in den Räumen des Palais Esterházy in der Wallnerstraße zu Wien unterzeichnete, band ihn an insgesamt vierzehn mehr oder weniger streng formulierte Klauseln. Für ein Salär von 400 rheinischen Gulden verpflichtete er sich darin, Verantwortung für die gesamte esterházysche Musikpflege in Wien sowie den verschiedenen fürstlichen Herrschaften (mit Ausnahme der Chor – Musique in Eisenstadt) zu übernehmen und diese auf Verlangen Sr. Hochfürstl. Durchlaucht mit neuen Kompositionen zu versorgen. Weiterhin solle er […] all-täglich […] vor – und nach Mittag in der Anti – Chambre erscheinen, und sich melden lassen, allda die Hochfürstl. Ordre, ob eine Musique seyn solle? abwarthen.

Von einer Situation wie eben dieser scheint also die Rede zu sein, als Albert Christoph Dies im auf den 11. Mai 1805 datierten „Fünften Besuch“ seiner Biographischen Nachrichten von Joseph Haydn berichtet, wie jener einst von seinem Fürsten „die vier Tageszeiten zum Thema einer Komposition“ erhalten habe. Auch wenn es sich bei den daraus resultierenden Tonschöpfungen nicht um vier und schon gar nicht um solche „in Form von Quartetten“ handelte, so zählen sie doch ohne Zweifel zu den am häufigsten gespielten Frühwerken Haydns: Die Sinfonien Le Matin, Le Midi und Le Soir.

Während Le Midi sich in einem auf das Jahr 1761 datierten, in der persönlichen Sammlung des Komponisten zeitlebens wie einem Schatz gehüteten Autograph erhalten hat, sind im Fall seiner beiden Schwesternwerke nur Abschriften auf uns zugekommen, allerdings solche, die aufgrund ihrer einschlägigen, meist französisch gehaltenen Titel und ihrer kompositorischen Eigenarten keine Zweifel an der gemeinsamen zyklischen Zusammengehörigkeit aufkommen lassen.

Manch komponiertes Vorbild hat man im Laufe der Zeit an Haydns Tageszeiten-Sinfonien festzumachen versucht: Von der Thematik her betrachtet wäre da z. B. ein der Feder von Gregor Joseph Werner, seinem damaligen Vorgesetzten entstammender Neuer und sehr curios-Musicalischer Calender, Parthien-weiß mit 2 Violinen und Basso ò Cembalo in die zwölf Jahrs-Monat eingetheilet. Oder eine Serie aus vier Ballettmusiken – Le Matin, Le Midi, Le Soir und La Nuit betitelt, die „die Land-Beschäftigung und -Unterhaltung durch die vier Tags Zeiten“ zum Ausdruck bringen versuchten. Sie wurden dem Komponisten Joseph Starzer zugeschrieben und 1755 in Laxenburg choreographiert von Franz Anton Hilverding zur Aufführung gebracht. Zum absoluten Favoriten unter den tönenden Vorbildern der Haydnschen Triologie hat die über Musik schreibende Zunft allerdings Antonio Vivaldis Le quattro stagionibenannte Reihe aus vier Violinkonzerten deklariert, die dieser als Teil der Sammlung Il cimento dell’armonia e dell’inventione, seinem Opus 8, dem Grafen Wenzeslaus von Morzin gewidmet hatte. (Letzterer war übrigens ein Onkel zweiten Grades von Haydns erstem Dienstherren, Karl Joseph Franz von Morzin und Vivaldis Werksammlung zudem Teil des unter Paul Anton um das Jahr 1740 angelegten Thematischen Katalogs der fürstlich-esterházyschen Notenbestände gewesen).

Ein weiteres Diskussionsfeld setzt sich aus Fragen nach möglichen, (un)mittelbaren Anlässen zur Komposition, des dahin führenden Auftrags, sowie dem genauen Wann und Wo ihrer Uraufführung zusammen. Dazu ein paar Antworten, welche die bisherige Haydnforschung in weitgehend verlässlicher Form aus dem Dunkel der Vergangenheit zutage fördern konnte:
Die Tageszeiten-Sinfonien dürften tatsächlich in zeitlicher Nähe des Vertragsschlusses mit Haydn und weiterer Aufnahmen in die esterházysche Hofkapelle, wie etwa die des Flötisten und Oboisten Franz Sigl (7. Mai 1761) entstanden sein – den Untersuchungsergebnissen Sonja Gerlachs zufolge allerdings erst nach den Sinfonien Nr. 15 und 3, die beide schon bei Haydn2032 zu erleben waren1. Für einen entstehungszeitlichen Anhaltspunkt sorgt überdies eine von Karl Graf von Zinzendorf am Abend des 22. Mai 1761 besuchte musikalische Soirée im Palais Esterházy, bei der ein im Kopfsatz von Le Soir zitierter Gassenhauer „Je n'aimais pas le tabac beaucoup“ zum Vortrag kam. (Kein geringerer als Christoph Willibald Gluck hatte ihn zur Produktion einer Opéra comique namens Le Diable a quatre durch das Wiener Théâtre Français im Jahr 1759 komponiert, ein Kassenschlager, der erst wenige Wochen zuvor, am 11. April 1761 eine Wiederaufnahme bekommen sollte.) Hinzu kommt ein astronomisches Ereignis, das in aufklärerisch gebildeten Kreisen seinerzeit für reichlich Gesprächsstoff sorgte und der Hauptstadt des Habsburgerreiches in der Person des César François Cassini de Thury einen illustren Gast bescherte, der in den Wiener Adels-Salons jener Tage wie allgegenwärtig erschien: Die Venuspassage vom 6. Juni 1761. Ihre Beobachtung und gleichzeitige Vermessung von verschiedenen über den ganzen Globus verteilten Orten sollte der Wissenschaft Auskunft über den Abstand der Erde zur Sonne vermitteln, und schließlich – wenngleich erst in späteren Jahrhunderten – zur exakten Bestimmung der sogenannten Astronomischen Einheit führen. Da es auch in der Familiengeschichte der Esterházy ein geradezu dynastisches Interesse in puncto Sternenkunde zu verzeichnen gibt, könnte das besagte Himmelschauspiel durchaus mit in die Themenvorgabe hinein gespielt haben, zumal in der Person Paul Antons ein ehemaliger Student der Universität Leiden2 den Auftrag zur Komposition der Tageszeiten erteilte. Sie, so Elaine Sisman, wäre nämlich nicht allein dem damals in Schrift und Bild weit verbreiteten Motiv des einfachen ländlichen vom Rhythmus der Natur abhängigen Lebens, sondern ganz konkret dem tageszeitlichen Verlauf der Sonnenbahn bzw. dem Stand unseres Licht und Wärme spendenden Himmelskörpers, am Morgen, zu Mittag und am Abend gewidmet: „Haydns Sonne“, mit der die Musik ganz programmatisch beginnt, „beleuchtet die Welten von Wissenschaft und Religion sowie Natur und Kunst.“3

Von den drei Sonnenaufgängen aus Haydns kompositorischem Œuvre stellt derjenige aus Le Matin das mit Abstand jüngste Beispiel dar. Wie seine Vergleichsmomente aus der Schöpfung (UA: 30. April 1798; Instrumentalvorspiel zum Rezitativ des Uriel „In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf“) und Die Jahreszeiten (UA: 24. April 1801; „Sie steigt herauf, die Sonne“, Chor mit Soli aus „Der Sommer“) so steht auch er in D-Dur (hier wie in der Schöpfung sogar auf einem einzelnen, unbegleiteten Ton D beginnend), arbeitet eine aufsteigende Notenskala heraus und kadenziert zum dynamischen Höhepunkt auf der Dominante.

Dass Paul II. Anton nicht nur ein leidenschaftlicher Liebhaber der Musik – und zwar in beiden seinerzeit führenden nationalstilistischen Ausprägungen, der italienischen wie der französischen – sondern auch ein Flötist von beachtlicher Begabung war, galt seinem gesellschaftlichen Umfeld als offenes Geheimnis. So erklärt sich auch der für Haydns sinfonisches Frühwerk durchaus untypische Beginn des auf den Sonnenaufgang folgenden Allegros: Im Piano erklingt der (bald von den Oboen imitierte) Weckgesang der Flöte, auf den sich die Natur in abwechselnden Forte- und Piano-Abschnitten zu regen beginnt. Wenn schließlich anstelle des erwarteten Eintritts der Reprise die Hörner mit lautschallendem Unisono dem Flötenthema um zwei Takte vorauseilen, so ist dies gewiss als Anspielung auf eine andere große Leidenschaft zu verstehen, die hier mit dem Fürsten „durchzugehen“ scheint: die Jagd, natürlich...

Vom folgenden, durch ein kurzes Adagio gerahmten Andante lesen wir bei Hermann Kretzschmar, dass es sich dabei um die Parodie einer morgendlichen Solmisationsstunde nebst folgender, humorvoller Anspielungen auf schulmeisterliche Kunstfertigkeiten handeln solle.4 Sisman widerspricht dem entschieden und erkennt hierin das Auf- und Absteigen weiterer, die Morgensonne begleitender Himmelskörper wie etwa der Mond oder die bereits erwähnte Venus: „Der Morgen hat die Verbannung der Nacht zur Folge, eine Wende von Diana zu Aurora, die die zunehmende Irrelevanz des Mondes offenbart – selbst wenn er in der Regel noch im Morgengrauen am Himmel gegenwärtig ist.“5 In diesem Sinn wäre das Bild des Gesangslehrers wohl in das des Helios (oder seines Nachfolgers Apollon) mit dem von Horen begleiteten Sonnenwagen abzuändern, eine mythologische Gestalt, die die Fürsten Esterházy, zur ikonographischen Überhöhung ihrer selbst, wiederholt auf den Deckenfresken ihrer prachtvollen Schlossbauten anbringen ließen.

Nachdem die Mondwolken vertrieben sind, macht ein Menuett von sich hören, in dem sich die Sonne als Tanzmeisterin hervortut. Zu den Solisten am Parkett zählen abermals die Flöte, dazu die Oboen, das Fagott und schließlich im Trio die Viola wie erstmals im vorliegenden Zyklus der fünfsaitige Violone, auch Wiener Quart-Terz-Violon genannt. Den Finalsatz, ein Allegro, hat H. C. Robbins Landon einst mit der treffenden Metapher „Neuer Wein in alte Flaschen gegossen“ bedacht und meint damit, dass hier das kompositorische Prinzip des Concerto grosso – die Flöte, das Violoncello, ja selbst beide Hörner, vor allem aber der von Haydn persönlich übernommene Part des Violino principale werden mit solistischen Aufgaben bedacht – mit neuem Leben erfüllt erscheint.6

In Achtung des einst von Peter Gülke vorgebrachten Einwands in Bezug auf die mannigfaltigen Deutungsversuche von Haydns Tageszeiten – „er leiht sich den Anschein des ganz und gar Programmatischen und schreibt [doch] Musik von so autonomer Struktur, dass es des Anhalts an Vorstellungen, wie sie die Titel vorgaben, eigentlich nicht bedarf“7 – sind wir mit unseren Betrachtungen bei Le Midi angekommen, dem einzigen Werk des heute erklingenden Zyklus, von dem die Eigenschrift des Komponisten erhalten geblieben ist.

Mit seiner von großer Geste bewegten langsamen Einleitung, aus der französischen Ouvertüre entlehnten markanten Punktierungen und breit aufgefächertem zwölfstimmigen Partiturbild vermag der Kopfsatz der C-Dur-Sinfonie durchaus die Vorstellung eines prächtigen Mittagsmahls mit begleitender Tafelmusik evozieren. Letzteres „bestätigt“ sich gewissermaßen im anschließenden Allegro durch seine von rauschender Sechzehntelbewegung ummalten konzertierenden Alleingänge zweier Soloviolinen, eines Solocellos, sowie beider Oboen und des Fagotts auf Seite der Blasinstrumente. Doch mit einem Male schlägt sie um, die festliche Stimmung. Sollte die nun folgende Satzkombination aus düster hereinbrechendem Instrumentalrezitativ und „befreiendem“ Übergang in einen „reich figurierten Zwiegesang zwischen einer Solovioline und einem Solocello“8 samt auskomponierter Kadenz tatsächlich als Parodie eines „nach dem Mahle“9 veranstalteten Mittagskonzert zu verstehen sein, so hätte man dem Publikum daraufhin wohl einst eine kräftige Verdauungshilfe reichen müssen. Lukas Haselböck10 und abermals Elaine Sisman haben jedenfalls eine andere alternative Lesart anzubieten: Sie lehnt sich an den ersten Satz des Konzerts L'estate („Der Sommer“) aus Vivaldis Vier Jahreszeiten, mit dem der Rezitativ-Satz der Haydn-Sinfonie eine „unheimliche Ähnlichkeit“11 aufzuweisen habe. Beide würden sie einer in der antiken Dichtkunst verwurzelten Erzähltradition folgen, nach der der Mittag jene Stunde darstelle, in der „mit oft katastrophalen Folgen“ Götter für Menschen sichtbar werden und letztere eine Zuflucht aufsuchen, wenn „Licht, Hitze, […] Stille und Stillstand zu bedrückend werden.“ Eben dieser Ort, „der schattige Hain, das von plätschernden Flussläufen und frischen Brisen durchzogene Tal erscheint im nachfolgenden Adagio […] dank seiner murmelnden, in Terzen geführten Flöten umso lebhafter“12, und bereiten den Protagonisten, Violine und Violoncello, eine pastoral anmutende Szenerie. So erscheint es auch absolut passend, wenn das nun folgende Menuett sich eher rustikal als höfisch gibt, während der Schlusssatz sich abermals der kunstvollen Kombination aus Sinfonie- und Konzertsatz hingibt, wobei der besondere klangliche Reiz dieses Allegros aus der kontrastreichen Gegenüberstellung der Violini concertatimit dem wieder auf ein Instrument reduzierten Flötenpart herrührt.

Mit Le Soir und seinem sich über das gesamte Thema des Kopfsatzes hinweg bewegenden, zu guter Letzt gar im Kanon geführten Zitat des Gluckschen Tabaklieds aus Le Diable a quatre – der Name selbiger Opéra comique steht im Französischen für einen turbulenten Charakter, der viel Lärm macht und Unordnung verursacht – kehren wir zurück zu der Frage nach der Idee, die ursprünglich hinter dem Auftrag zur Komposition der sog. Tageszeiten-Sinfonien gestanden haben könnte. Daniel Heartz, der Finder des Gluck-Zitats, hat – davon ausgehend, dass Haydn einst seitens seines Dienstherren über dessen besondere, diesbezügliche Vorliebe bestens informiert gewesen war – dazu folgende These entwickelt:

Wie der Hochadel um Maria Theresia überhaupt im Zeichen französischer Kultur stand, so auch Fürst Anton Esterházy, der Paris kannte und der für sich eine Bibliothek französischer Bücher, Partituren und Bilder eingerichtet hatte, die laufend mit den letzten Neuerscheinungen aus Paris beliefert wurde, im Jahre 1761 z. B. mit Rousseaus (in Österreich verbotenen!) Schriften. Die Vermutung, dass er auch mit den Arbeiten François Bouchers, die damals hoch im Kurs standen, vertraut war, liegt nicht fern. Eine Bilderserie Die Tagesstunden im Leben einer Dame galante malte Boucher im Auftrag des Schwedischen Gesandten in Paris im Jahr 1745. Eine andere Serie, Points du Jour, enthält ein Bild namens Le Soir mit dem Untertitel La Dame allant au Bal, das Ganze von einem kommentierenden Vers begleitet.
Hat diese modische Dame vielleicht sogar Modell gestanden für Margot? Margot, die ausgeht in der Absicht zu tanzen und – anstelle des Versleins im Bilde – ihr Tabaklied zum Besten gibt. Am Ende […] erinnern wir daran, dass Haydn seine Abendsinfonie mit La Tempesta beschließt. Die Hintergründe erscheinen vieldeutig: Ist es ein Gewitter, wie es die schlimme Marquise, Margots Gegenspielerin, heraufbeschwört? Ist es der Himmel, der sich im Gewitter zusammenballt – als bewegter Ausklang am Tagesende?13

Die Vorstellung einer abendlichen, sich am Gesang, an der Schönheit des Sonnenuntergangs, am Tanz und der Behaglichkeit einer vor den abendlichen Wetterkapriolen eines heißen Sommertags schützenden Behausung erfreuenden Gesellschaft – sie könnte durchaus jenen Gedanken entsprochen haben, die Haydn einst bei seiner kompositorischen Arbeit an Hob. I:8 im Kopf herumgingen. Vielleicht wäre hier noch anzumerken, wie der Komponist im Finalsatz von Le Soir auf geniale Weise mit den überlieferten Topoi von Sturm- und Gewittermusiken umzugehen pflegt: Wider Erwarten zeigt er sich in der Verwendung der selbigen nämlich ausgesprochen umsichtig, stets darauf bedacht den Solisten seines Instrumentalensembles alle nur denkbaren Freiräume zur Präsentation ihrer virtuosen Musizierkünste zu ermöglichen.

In Giuseppe Carpanis Biographie Le Haydine lesen wir gar von einer weiteren bereits zu Paul Antons Geburtstag am 22. April 1761 verfertigten „solennen“ Sinfonie, hinter der Daniel Heartz die C-Dur-Sinfonie Hob. I:25 vermutet.
Im niederländischen Leiden würde 1633 die erste Universitätssternwarte der Welt eröffnet.
Elaine Sisman, „Haydn's Solar Poetics The Tageszeiten Symphonies and Enlightenment Knowledge“, in: Journal of the American Musicological Society, Bd. 66, Nr. 1 (Spring 2013), S 5-102, hier S. 91.
Vgl. Hermann Kretzschmar, „Die Jugendsinfonien Joseph Haydns“, in: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, 15. Jg, 1908, S. 69-90, hier S. 84.
Sisman, S. 55.
H.C. Robbins Landon, Haydn: Chronicle and Works, Bd. 1, Haydn: The Early Years: 1732-1765, London 1980, S. 556.
Peter Gülke, „Haydns »Tageszeiten«-Sinfonien“, in: Ders., Die Sprache der Musik. Essays zur Musik von Bach bis Holliger, Stuttgart, Weimar, Kassel 2011, S. 170-175, hier S. 170f.
Walter Lessing, Die Sinfonien von Joseph Haydn, Bd. 1, Baden-Baden 1987, S. 36.
Jürgen Braun, Sonja Gerlach: Sinfonien 1761 bis 1763. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Bd. 3, München 1990, Seite VIII.
10 Lukas Haselböck, „Vivaldis Le quattro stagioni und Haydns Tageszeiten-Sinfonien“, in: Laurine Quetin, Gerold W. Gruber und Albert Gier (Hg.), Joseph Haydn und Europa vom Absolutismus zur Aufklärung (= Musicorum 7), Tours 2009, S. 183-192.
11 Sisman, S. 61.
12 Sisman, S. 66.
13 Daniel Heartz, „Haydn und Gluck im Burgtheater um 1760: Der neue krumme Teufel, Le Diable à quatre und die Sinfonie „Le soir“, in: Gesellschaft für Musikforschung. Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Bayreuth 1981, hg. von Christoph-Hellmut Mahling und Sigrid Wiesmann, Kassel 1984, S. 120-135, hier: S. 132 & 135.

Sinfonie Nr. 7 "Le Midi"
VOL. 10 _LES HEURES DU JOUR

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

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Franz Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 8 G-Dur «Le Soir» Hob. I:8

Allegro molto / Andante / Menuet – Trio / La Tempesta. Presto

8

SINFONIE NR. 8 G-DUR «LE SOIR» HOB. I:8 (Eisenstadt / Wien 1761)

Besetzung: Fl, 2 Ob/2Fl, Fg, 2 Hr, Str (mit Solo-Str)
Entstehungsjahr: bis 1767 [1761]

Allegro molto / Andante / Menuet – Trio / La Tempesta. Presto

 

von Christian Moritz-Bauer

Der wenigstens auf Drey Jahr lang beschlossen[e] Dienstvertrag, den Joseph Haydn als frisch gebackener Vice – Capel – Meister am 1. Mai 1761 in den Räumen des Palais Esterházy in der Wallnerstraße zu Wien unterzeichnete, band ihn an insgesamt vierzehn mehr oder weniger streng formulierte Klauseln. Für ein Salär von 400 rheinischen Gulden verpflichtete er sich darin, Verantwortung für die gesamte esterházysche Musikpflege in Wien sowie den verschiedenen fürstlichen Herrschaften (mit Ausnahme der Chor – Musique in Eisenstadt) zu übernehmen und diese auf Verlangen Sr. Hochfürstl. Durchlaucht mit neuen Kompositionen zu versorgen. Weiterhin solle er […] all-täglich […] vor – und nach Mittag in der Anti – Chambre erscheinen, und sich melden lassen, allda die Hochfürstl. Ordre, ob eine Musique seyn solle? abwarthen.

Von einer Situation wie eben dieser scheint also die Rede zu sein, als Albert Christoph Dies im auf den 11. Mai 1805 datierten „Fünften Besuch“ seiner Biographischen Nachrichten von Joseph Haydn berichtet, wie jener einst von seinem Fürsten „die vier Tageszeiten zum Thema einer Komposition“ erhalten habe. Auch wenn es sich bei den daraus resultierenden Tonschöpfungen nicht um vier und schon gar nicht um solche „in Form von Quartetten“ handelte, so zählen sie doch ohne Zweifel zu den am häufigsten gespielten Frühwerken Haydns: Die Sinfonien Le Matin, Le Midi und Le Soir.

Während Le Midi sich in einem auf das Jahr 1761 datierten, in der persönlichen Sammlung des Komponisten zeitlebens wie einem Schatz gehüteten Autograph erhalten hat, sind im Fall seiner beiden Schwesternwerke nur Abschriften auf uns zugekommen, allerdings solche, die aufgrund ihrer einschlägigen, meist französisch gehaltenen Titel und ihrer kompositorischen Eigenarten keine Zweifel an der gemeinsamen zyklischen Zusammengehörigkeit aufkommen lassen.

Manch komponiertes Vorbild hat man im Laufe der Zeit an Haydns Tageszeiten-Sinfonien festzumachen versucht: Von der Thematik her betrachtet wäre da z. B. ein der Feder von Gregor Joseph Werner, seinem damaligen Vorgesetzten entstammender Neuer und sehr curios-Musicalischer Calender, Parthien-weiß mit 2 Violinen und Basso ò Cembalo in die zwölf Jahrs-Monat eingetheilet. Oder eine Serie aus vier Ballettmusiken – Le Matin, Le Midi, Le Soir und La Nuit betitelt, die „die Land-Beschäftigung und -Unterhaltung durch die vier Tags Zeiten“ zum Ausdruck bringen versuchten. Sie wurden dem Komponisten Joseph Starzer zugeschrieben und 1755 in Laxenburg choreographiert von Franz Anton Hilverding zur Aufführung gebracht. Zum absoluten Favoriten unter den tönenden Vorbildern der Haydnschen Triologie hat die über Musik schreibende Zunft allerdings Antonio Vivaldis Le quattro stagionibenannte Reihe aus vier Violinkonzerten deklariert, die dieser als Teil der Sammlung Il cimento dell’armonia e dell’inventione, seinem Opus 8, dem Grafen Wenzeslaus von Morzin gewidmet hatte. (Letzterer war übrigens ein Onkel zweiten Grades von Haydns erstem Dienstherren, Karl Joseph Franz von Morzin und Vivaldis Werksammlung zudem Teil des unter Paul Anton um das Jahr 1740 angelegten Thematischen Katalogs der fürstlich-esterházyschen Notenbestände gewesen).

Ein weiteres Diskussionsfeld setzt sich aus Fragen nach möglichen, (un)mittelbaren Anlässen zur Komposition, des dahin führenden Auftrags, sowie dem genauen Wann und Wo ihrer Uraufführung zusammen. Dazu ein paar Antworten, welche die bisherige Haydnforschung in weitgehend verlässlicher Form aus dem Dunkel der Vergangenheit zutage fördern konnte:
Die Tageszeiten-Sinfonien dürften tatsächlich in zeitlicher Nähe des Vertragsschlusses mit Haydn und weiterer Aufnahmen in die esterházysche Hofkapelle, wie etwa die des Flötisten und Oboisten Franz Sigl (7. Mai 1761) entstanden sein – den Untersuchungsergebnissen Sonja Gerlachs zufolge allerdings erst nach den Sinfonien Nr. 15 und 3, die beide schon bei Haydn2032 zu erleben waren1. Für einen entstehungszeitlichen Anhaltspunkt sorgt überdies eine von Karl Graf von Zinzendorf am Abend des 22. Mai 1761 besuchte musikalische Soirée im Palais Esterházy, bei der ein im Kopfsatz von Le Soir zitierter Gassenhauer „Je n'aimais pas le tabac beaucoup“ zum Vortrag kam. (Kein geringerer als Christoph Willibald Gluck hatte ihn zur Produktion einer Opéra comique namens Le Diable a quatre durch das Wiener Théâtre Français im Jahr 1759 komponiert, ein Kassenschlager, der erst wenige Wochen zuvor, am 11. April 1761 eine Wiederaufnahme bekommen sollte.) Hinzu kommt ein astronomisches Ereignis, das in aufklärerisch gebildeten Kreisen seinerzeit für reichlich Gesprächsstoff sorgte und der Hauptstadt des Habsburgerreiches in der Person des César François Cassini de Thury einen illustren Gast bescherte, der in den Wiener Adels-Salons jener Tage wie allgegenwärtig erschien: Die Venuspassage vom 6. Juni 1761. Ihre Beobachtung und gleichzeitige Vermessung von verschiedenen über den ganzen Globus verteilten Orten sollte der Wissenschaft Auskunft über den Abstand der Erde zur Sonne vermitteln, und schließlich – wenngleich erst in späteren Jahrhunderten – zur exakten Bestimmung der sogenannten Astronomischen Einheit führen. Da es auch in der Familiengeschichte der Esterházy ein geradezu dynastisches Interesse in puncto Sternenkunde zu verzeichnen gibt, könnte das besagte Himmelschauspiel durchaus mit in die Themenvorgabe hinein gespielt haben, zumal in der Person Paul Antons ein ehemaliger Student der Universität Leiden2 den Auftrag zur Komposition der Tageszeiten erteilte. Sie, so Elaine Sisman, wäre nämlich nicht allein dem damals in Schrift und Bild weit verbreiteten Motiv des einfachen ländlichen vom Rhythmus der Natur abhängigen Lebens, sondern ganz konkret dem tageszeitlichen Verlauf der Sonnenbahn bzw. dem Stand unseres Licht und Wärme spendenden Himmelskörpers, am Morgen, zu Mittag und am Abend gewidmet: „Haydns Sonne“, mit der die Musik ganz programmatisch beginnt, „beleuchtet die Welten von Wissenschaft und Religion sowie Natur und Kunst.“3

Von den drei Sonnenaufgängen aus Haydns kompositorischem Œuvre stellt derjenige aus Le Matin das mit Abstand jüngste Beispiel dar. Wie seine Vergleichsmomente aus der Schöpfung (UA: 30. April 1798; Instrumentalvorspiel zum Rezitativ des Uriel „In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf“) und Die Jahreszeiten (UA: 24. April 1801; „Sie steigt herauf, die Sonne“, Chor mit Soli aus „Der Sommer“) so steht auch er in D-Dur (hier wie in der Schöpfung sogar auf einem einzelnen, unbegleiteten Ton D beginnend), arbeitet eine aufsteigende Notenskala heraus und kadenziert zum dynamischen Höhepunkt auf der Dominante.

Dass Paul II. Anton nicht nur ein leidenschaftlicher Liebhaber der Musik – und zwar in beiden seinerzeit führenden nationalstilistischen Ausprägungen, der italienischen wie der französischen – sondern auch ein Flötist von beachtlicher Begabung war, galt seinem gesellschaftlichen Umfeld als offenes Geheimnis. So erklärt sich auch der für Haydns sinfonisches Frühwerk durchaus untypische Beginn des auf den Sonnenaufgang folgenden Allegros: Im Piano erklingt der (bald von den Oboen imitierte) Weckgesang der Flöte, auf den sich die Natur in abwechselnden Forte- und Piano-Abschnitten zu regen beginnt. Wenn schließlich anstelle des erwarteten Eintritts der Reprise die Hörner mit lautschallendem Unisono dem Flötenthema um zwei Takte vorauseilen, so ist dies gewiss als Anspielung auf eine andere große Leidenschaft zu verstehen, die hier mit dem Fürsten „durchzugehen“ scheint: die Jagd, natürlich...

Vom folgenden, durch ein kurzes Adagio gerahmten Andante lesen wir bei Hermann Kretzschmar, dass es sich dabei um die Parodie einer morgendlichen Solmisationsstunde nebst folgender, humorvoller Anspielungen auf schulmeisterliche Kunstfertigkeiten handeln solle.4 Sisman widerspricht dem entschieden und erkennt hierin das Auf- und Absteigen weiterer, die Morgensonne begleitender Himmelskörper wie etwa der Mond oder die bereits erwähnte Venus: „Der Morgen hat die Verbannung der Nacht zur Folge, eine Wende von Diana zu Aurora, die die zunehmende Irrelevanz des Mondes offenbart – selbst wenn er in der Regel noch im Morgengrauen am Himmel gegenwärtig ist.“5 In diesem Sinn wäre das Bild des Gesangslehrers wohl in das des Helios (oder seines Nachfolgers Apollon) mit dem von Horen begleiteten Sonnenwagen abzuändern, eine mythologische Gestalt, die die Fürsten Esterházy, zur ikonographischen Überhöhung ihrer selbst, wiederholt auf den Deckenfresken ihrer prachtvollen Schlossbauten anbringen ließen.

Nachdem die Mondwolken vertrieben sind, macht ein Menuett von sich hören, in dem sich die Sonne als Tanzmeisterin hervortut. Zu den Solisten am Parkett zählen abermals die Flöte, dazu die Oboen, das Fagott und schließlich im Trio die Viola wie erstmals im vorliegenden Zyklus der fünfsaitige Violone, auch Wiener Quart-Terz-Violon genannt. Den Finalsatz, ein Allegro, hat H. C. Robbins Landon einst mit der treffenden Metapher „Neuer Wein in alte Flaschen gegossen“ bedacht und meint damit, dass hier das kompositorische Prinzip des Concerto grosso – die Flöte, das Violoncello, ja selbst beide Hörner, vor allem aber der von Haydn persönlich übernommene Part des Violino principale werden mit solistischen Aufgaben bedacht – mit neuem Leben erfüllt erscheint.6

In Achtung des einst von Peter Gülke vorgebrachten Einwands in Bezug auf die mannigfaltigen Deutungsversuche von Haydns Tageszeiten – „er leiht sich den Anschein des ganz und gar Programmatischen und schreibt [doch] Musik von so autonomer Struktur, dass es des Anhalts an Vorstellungen, wie sie die Titel vorgaben, eigentlich nicht bedarf“7 – sind wir mit unseren Betrachtungen bei Le Midi angekommen, dem einzigen Werk des heute erklingenden Zyklus, von dem die Eigenschrift des Komponisten erhalten geblieben ist.

Mit seiner von großer Geste bewegten langsamen Einleitung, aus der französischen Ouvertüre entlehnten markanten Punktierungen und breit aufgefächertem zwölfstimmigen Partiturbild vermag der Kopfsatz der C-Dur-Sinfonie durchaus die Vorstellung eines prächtigen Mittagsmahls mit begleitender Tafelmusik evozieren. Letzteres „bestätigt“ sich gewissermaßen im anschließenden Allegro durch seine von rauschender Sechzehntelbewegung ummalten konzertierenden Alleingänge zweier Soloviolinen, eines Solocellos, sowie beider Oboen und des Fagotts auf Seite der Blasinstrumente. Doch mit einem Male schlägt sie um, die festliche Stimmung. Sollte die nun folgende Satzkombination aus düster hereinbrechendem Instrumentalrezitativ und „befreiendem“ Übergang in einen „reich figurierten Zwiegesang zwischen einer Solovioline und einem Solocello“8 samt auskomponierter Kadenz tatsächlich als Parodie eines „nach dem Mahle“9 veranstalteten Mittagskonzert zu verstehen sein, so hätte man dem Publikum daraufhin wohl einst eine kräftige Verdauungshilfe reichen müssen. Lukas Haselböck10 und abermals Elaine Sisman haben jedenfalls eine andere alternative Lesart anzubieten: Sie lehnt sich an den ersten Satz des Konzerts L'estate („Der Sommer“) aus Vivaldis Vier Jahreszeiten, mit dem der Rezitativ-Satz der Haydn-Sinfonie eine „unheimliche Ähnlichkeit“11 aufzuweisen habe. Beide würden sie einer in der antiken Dichtkunst verwurzelten Erzähltradition folgen, nach der der Mittag jene Stunde darstelle, in der „mit oft katastrophalen Folgen“ Götter für Menschen sichtbar werden und letztere eine Zuflucht aufsuchen, wenn „Licht, Hitze, […] Stille und Stillstand zu bedrückend werden.“ Eben dieser Ort, „der schattige Hain, das von plätschernden Flussläufen und frischen Brisen durchzogene Tal erscheint im nachfolgenden Adagio […] dank seiner murmelnden, in Terzen geführten Flöten umso lebhafter“12, und bereiten den Protagonisten, Violine und Violoncello, eine pastoral anmutende Szenerie. So erscheint es auch absolut passend, wenn das nun folgende Menuett sich eher rustikal als höfisch gibt, während der Schlusssatz sich abermals der kunstvollen Kombination aus Sinfonie- und Konzertsatz hingibt, wobei der besondere klangliche Reiz dieses Allegros aus der kontrastreichen Gegenüberstellung der Violini concertatimit dem wieder auf ein Instrument reduzierten Flötenpart herrührt.

Mit Le Soir und seinem sich über das gesamte Thema des Kopfsatzes hinweg bewegenden, zu guter Letzt gar im Kanon geführten Zitat des Gluckschen Tabaklieds aus Le Diable a quatre – der Name selbiger Opéra comique steht im Französischen für einen turbulenten Charakter, der viel Lärm macht und Unordnung verursacht – kehren wir zurück zu der Frage nach der Idee, die ursprünglich hinter dem Auftrag zur Komposition der sog. Tageszeiten-Sinfonien gestanden haben könnte. Daniel Heartz, der Finder des Gluck-Zitats, hat – davon ausgehend, dass Haydn einst seitens seines Dienstherren über dessen besondere, diesbezügliche Vorliebe bestens informiert gewesen war – dazu folgende These entwickelt:

Wie der Hochadel um Maria Theresia überhaupt im Zeichen französischer Kultur stand, so auch Fürst Anton Esterházy, der Paris kannte und der für sich eine Bibliothek französischer Bücher, Partituren und Bilder eingerichtet hatte, die laufend mit den letzten Neuerscheinungen aus Paris beliefert wurde, im Jahre 1761 z. B. mit Rousseaus (in Österreich verbotenen!) Schriften. Die Vermutung, dass er auch mit den Arbeiten François Bouchers, die damals hoch im Kurs standen, vertraut war, liegt nicht fern. Eine Bilderserie Die Tagesstunden im Leben einer Dame galante malte Boucher im Auftrag des Schwedischen Gesandten in Paris im Jahr 1745. Eine andere Serie, Points du Jour, enthält ein Bild namens Le Soir mit dem Untertitel La Dame allant au Bal, das Ganze von einem kommentierenden Vers begleitet.
Hat diese modische Dame vielleicht sogar Modell gestanden für Margot? Margot, die ausgeht in der Absicht zu tanzen und – anstelle des Versleins im Bilde – ihr Tabaklied zum Besten gibt. Am Ende […] erinnern wir daran, dass Haydn seine Abendsinfonie mit La Tempesta beschließt. Die Hintergründe erscheinen vieldeutig: Ist es ein Gewitter, wie es die schlimme Marquise, Margots Gegenspielerin, heraufbeschwört? Ist es der Himmel, der sich im Gewitter zusammenballt – als bewegter Ausklang am Tagesende?13

Die Vorstellung einer abendlichen, sich am Gesang, an der Schönheit des Sonnenuntergangs, am Tanz und der Behaglichkeit einer vor den abendlichen Wetterkapriolen eines heißen Sommertags schützenden Behausung erfreuenden Gesellschaft – sie könnte durchaus jenen Gedanken entsprochen haben, die Haydn einst bei seiner kompositorischen Arbeit an Hob. I:8 im Kopf herumgingen. Vielleicht wäre hier noch anzumerken, wie der Komponist im Finalsatz von Le Soir auf geniale Weise mit den überlieferten Topoi von Sturm- und Gewittermusiken umzugehen pflegt: Wider Erwarten zeigt er sich in der Verwendung der selbigen nämlich ausgesprochen umsichtig, stets darauf bedacht den Solisten seines Instrumentalensembles alle nur denkbaren Freiräume zur Präsentation ihrer virtuosen Musizierkünste zu ermöglichen.

In Giuseppe Carpanis Biographie Le Haydine lesen wir gar von einer weiteren bereits zu Paul Antons Geburtstag am 22. April 1761 verfertigten „solennen“ Sinfonie, hinter der Daniel Heartz die C-Dur-Sinfonie Hob. I:25 vermutet.
Im niederländischen Leiden würde 1633 die erste Universitätssternwarte der Welt eröffnet.
Elaine Sisman, „Haydn's Solar Poetics The Tageszeiten Symphonies and Enlightenment Knowledge“, in: Journal of the American Musicological Society, Bd. 66, Nr. 1 (Spring 2013), S 5-102, hier S. 91.
Vgl. Hermann Kretzschmar, „Die Jugendsinfonien Joseph Haydns“, in: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, 15. Jg, 1908, S. 69-90, hier S. 84.
Sisman, S. 55.
H.C. Robbins Landon, Haydn: Chronicle and Works, Bd. 1, Haydn: The Early Years: 1732-1765, London 1980, S. 556.
Peter Gülke, „Haydns »Tageszeiten«-Sinfonien“, in: Ders., Die Sprache der Musik. Essays zur Musik von Bach bis Holliger, Stuttgart, Weimar, Kassel 2011, S. 170-175, hier S. 170f.
Walter Lessing, Die Sinfonien von Joseph Haydn, Bd. 1, Baden-Baden 1987, S. 36.
Jürgen Braun, Sonja Gerlach: Sinfonien 1761 bis 1763. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Bd. 3, München 1990, Seite VIII.
10 Lukas Haselböck, „Vivaldis Le quattro stagioni und Haydns Tageszeiten-Sinfonien“, in: Laurine Quetin, Gerold W. Gruber und Albert Gier (Hg.), Joseph Haydn und Europa vom Absolutismus zur Aufklärung (= Musicorum 7), Tours 2009, S. 183-192.
11 Sisman, S. 61.
12 Sisman, S. 66.
13 Daniel Heartz, „Haydn und Gluck im Burgtheater um 1760: Der neue krumme Teufel, Le Diable à quatre und die Sinfonie „Le soir“, in: Gesellschaft für Musikforschung. Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Bayreuth 1981, hg. von Christoph-Hellmut Mahling und Sigrid Wiesmann, Kassel 1984, S. 120-135, hier: S. 132 & 135.

Sinfonie Nr. 8 "Le Soir"
VOL. 10 _LES HEURES DU JOUR

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

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Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791): Serenade D-Dur «Serenata notturna» KV 239

Marcia. Maestoso / Menuetto – Trio (Menuetto 2do) / Rondeau. Allegretto – Adagio – Allegro

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W. A. MOZART: SERENADE IN D-DUR «SERENATA NOTTURNA» KV 239 (Salzburg im Januar 1776)

Marcia. Maestoso / Menuetto – Trio (Menuetto 2do) / Rondeau. Allegretto – Adagio – Allegro

 

von Christian Moritz-Bauer

„Für die Geschichte von Serenade und Divertimento ist Mozarts Name zum Sinnbild geworden“, beginnt ein Beitrag von Thomas Schipperges im 2006 erschienenen Mozart-Handbuch der Verlagsunion Bärenreiter und Metzler. Und er fährt mit der Feststellung fort, dass „[i]nnerhalb von Mozarts eigenem Schaffen [eben jenes] Genre – Musik jenseits von Kammer oder Kirche, Theater oder Tanzsaal – als peripher“ gelte, um sogleich zu betonen, dass „über einzelne Fragen der Terminologie und der Datierung, des Aufführungsanlasses und der Aufführungspraxis [viel geschrieben wurde], hinter „das philologische Detail […] die einzelnen Kompositionen, […] die Musik [selbst aber] meist zurück[getreten sei]“.1

Im Fall des Werks, das in der Musikgeschichte als „Serenata notturna“ Bekanntheit erlangte und sich auch heutzutage immer noch mehr oder wenig regelmäßig auf klassischen Konzertprogrammen wiederfindet, hat es schon mit der Beantwortung der besagten Fragen so seine Tücken. Regelmäßig bekommen wir etwa zu lesen, dass der über das Autograph gesetzte Titel, der eigentlich „Serenada notturna“ lautet, wie auch der Author- und Datierungshinweis „di Wolfgango Amadeo Mozart. / nel gennaio 1776“ von Leopold Mozart stamme. Zudem soll die Komposition eigentlich als Freiluftmusik gedacht gewesen, seiner bläserlosen Besetzung und Entstehungszeit wegen aber für die Kammer, womöglich gar als Neujahrsmusik verfasst worden sein. Im Grunde genommen herrsche über das genaue Wann, Wo und Warum ihrer Erstaufführung und des damit „zweckhaft“ verbundenen Kompositionsanlasses aber Ahnungslosigkeit.

Die erste Korrektur, welche an der traditionellen Erzählung um KV 239 vorzunehmen wäre, gilt dem vermeintlichen Werktitel. Er – so können wir es im 1988 durch Ernst Hintermaier nachgereichten „Kritischen Bericht“ zum bereits 1962 von Günther Haußwald herausgegebenen Notenband der Neuen Mozart-Ausgabe lesen2 – stammt in Wahrheit nicht von Vater Leopold, sondern vielmehr aus der Feder eines gewissen Franz Gleissner – ein Sachverhalt, der sogar von überaus prominenten Mozartforschern bis in die heutige Zeit hinein schlicht und ergreifend übergangen wurde. Selbiger Gleissner, kurfürstlich-bayerischer Hofmusiker, Komponist und Miterfinder des lithografischen Notendrucks, war von 1800 bis 1801 im Offenbacher Verlag des Johann Anton André mit der Erstellung eines nach Gattungen geordneten Verzeichnisses jener Kompositionen beschäftigt, die letzterer ein Jahr zuvor von Mozarts Witwe Constanze käuflich erworben hatte. So dürfte das ursprünglich unbetitelte Werk auch zu seinem, aus den Ordnungsbegriffen Serenade und Notturno zusammengesetzten, posthum verliehenen „Taufnamen“ gelangt sein. (Die Überschrift des öfteren als ihr Schwesternwerk angesehenen Notturno für vier Orchester KV 286, dessen Autograph in den Wirren des 2. Weltkriegs verloren ging, und dessen hervorstechende Merkmale der mehrchörigen Instrumentalbesetzung sowie des dreisätzigen Aufbaus es mit KV 239 teilt, könnte entsprechender Weise ebenso von Gleissner stammen).

Weiters gibt es guten Grund zur Annahme, dass das Werk tatsächlich nicht – wie der Mehrheit der Serenaden und Divertimenti Mozarts – als Freiluft- oder Huldigungsmusik gegenüber einer höher gestellten, oder auch einer dem Komponisten freund- oder verwandtschaftlich verbundenen Person(engruppe) und schon gar nicht als Neujahrsmusik gedacht gewesen war. Vielmehr scheint der Anlass zur Komposition der „Serenata Notturna“ im Bereich der seinerzeit im Salzburger Rathaus am Kranzlmarkt veranstalteten Redouten oder Maskenbälle zu liegen, wie sie einst zwischen Mariä Lichtmess und Aschermittwoch jeden Mittwoch und Sonntag gegeben und von den hohen wie mittleren Ständen der Stadt, darunter auch Leopold und Wolfgang Mozart regelmäßig und mit Begeisterung aufgesucht wurden. Ferdinand von Schidenhofen, salzburgischer Hofrat, Landschaftskanzler und Freund der Familie Mozart berichtet in seinem Tagebuch:

Mitwochs den 14t Hornung [Februar 1776].
[…] Abends [...] gienge ich zum [Johann von] Geÿer, wo die Compagnie auf mich Wartete, die auf der Redute eine französische Werbung vorstelte. Um halbe 10 uhr Tratten wir ein. Voraus gienge Mr Meisner als Regiernde Tambour, dann 6 Spilleut. Dann Obriststallmeister [Leopold Graf] Kuenburg a1s Corporal, und General [Franz Johann Nepomuk Anton Felix] Graf Arco, Graf Lizzow [Johann Gottfried Graf Lützow] Schlos Oberster, B: [Polycarp von] Lilien, Mr Schmid, H [Ferdinand] v Geÿer Fähndrich, und Graf [Anton Willibald von] Wolfegg als Commandirte. Dann [Wolf Joseph] Graf Überacker, Hauptmann [Felix Johann von] Freitag, und ich als Recruten, Leitenant Riser als Gefangner, und Graf Wicka als Margetenter. Weiters machte [Johann Rudolph] Graf Czernin eine Gegenwerbung von Cavallerie, wobeÿ der B: [Franz Christoph von] Lehrbach, die Pagen, und andere waren. Ich gienge um 3 uhr nach Hause, dann zum Tanzen ware es zu voll weil 410 Massquen da waren.3

Nicht nur, dass man sich kaum vorzustellen vermag, wie ein solcher Aufzug, den Schidenhofen an jenem Abend, eine Woche vor Beginn der Fastenzeit des Jahres 1776 zusammen mit seinen Standesgenossen vor mehreren hundert Ballgästen aufs Parkett legte, ohne eine begleitende, analoge Musik hätte stattfinden können. In einem Kontext wie diesem würden sich außerdem gleich mehrere Auffälligkeiten der Komposition – von der geforderten Ensemblebesetzung (ein solistisch besetztes „Serenadenquartett“ steht einer chorisch besetzten Streichergruppe gegenüber, die das Spiel des vorherigen kommentiert und unterstreicht, dazwischen ein das musikalische Geschehen antreibender Paukist) bis hin zur durchwegs ungewöhnlichen Satzfolge – gleich wie von selbst erklären: Marcia. Ein Marschmotiv erklingt, allerdings nur als Signal, auf das die Protagonisten unseres kleinen karnevalesken Spiels Aufstellung nehmen mögen. Bereits im dritten Takt straft ein charmanter Auftritt des besagten Solistenquartetts den scheinbaren Ernst der Szene Lüge und wird vom versammelten Orchestertutti mit instrumentalen Hochrufen bejubelt. Schließlich sind die Werber ja Franzosen, die sich um die Anwerbung von Soldaten zur Teilnahme am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg bemühen. Der ganze Satz lebt vom Wechselspiel der Gruppen und Motive in welches bei Gelegenheit leise Paukenschläge und Streicherpizzicati eingestreut werden, die eine geheimnisvolle, nächtliche Stimmung verbreiten.

Wie es sich zum Auftakt eines Maskenballs gebührt, folgt ein Menuetto. Kommt dieser zunächst etwas steif daher, so zeichnet sich sein zweiter Teil – von Mozart einst nach französischem Vorbild mit „Menuetto 2do“ überschrieben – durch eine vom Serenadenquartett allein bestrittene, entspannte Triolenbewegung aus.

Mit einem kompositorisch ausgefuchsten Rondeau tritt die vermeintliche Compagnie alsbald wieder ihren Rückzug an, den sie durch mehrere durchaus komisch wirkende Einschübe, darunter ein Adagio-Rezitativ sowie eine beschleunigte Wiederkehr des Satzthemas mit pizzicato / coll'arco-Kontrasten auszuschmücken versteht. Zum finalen Paukenwirbel mischt man sich schließlich unter die Menge der Masken.

Thomas Schipperges, „ Mozart und die Tradition gesellschaftsgebundener Unterhaltungsmusik im 18. Jahrhundert“, in: Silke Leopold (Hg.): Mozart-Handbuch, Stuttgart, Weimar, Kassel 2005, S. 562-564, hier S. 562.
Wolfgang Amadeus Mozart, Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Serie IV Orchesterwerke, Werkgruppe 12: Kassationen, Serenaden und Divertimenti für Orchester, Bd. 3: Notenband, vorgelegt von Günter Haußwald, Kassel 1962 und Kritischer Bericht von Ernst Hintermaier, Kassel 1988.
Joachim Ferdinand von Schidenhofen, ein Freund der Mozarts. Die Tagebücher des Salzburger Hofrats. Hg. und kommentiert von Hannelore und Rudolph Angermüller unter Mitarbeit von Günther G. Bauer, Bad Honnef 2006, S. 136.

 

VOL. 10 _LES HEURES DU JOUR

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

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Besetzung

Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini,
Dirigent

  • Besetzungsliste Orchester

    1. Violine Stefano Barneschi, Fabrizio Haim Cipriani, Ayako Matsunaga, Liana Mosca, Carlo Lazzaroni, Dmitry Smirnov
    2. Violine Marco Bianchi, Angelo Calvo, Francesco Colletti, Maria Cristina Vasi, Chiara Zanisi
    Viola Renato Burchese, Alice Bisanti, Carlo De Martini
    Cello Paolo Beschi, Elena Russo, Marcello Scandelli
    Kontrabass Giancarlo De Frenza, Stefan Preyer
    Flöte Marco Brolli, Eva Oertle
    Oboe Thomas Meraner, Molly Marsh
    Waldhorn Johannes Hinterholzer, Edward Deskur
    Fagott Michele Fattori
    Pauken Riccardo Balbinutti

Konzerte

Paris
Mittwoch, 16.01.2019

Louvre Paris

Wien
Donnerstag, 17.01.2019

Musikverein Wien

Rom
Mittwoch, 23.01.2019

Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom

Basel
Donnerstag, 24.01.2019, 19.30 Uhr

Martinskirche Basel

Haydn-Lounge: 18.30 Uhr, mit Giovanni Antonini und Andrea Scartazzini
Haydn-Lesung: 19.00 Uhr, mit Margriet de Moor

Konzert: 19.30 Uhr (Haydn-Suppe in der Konzertpause)

Biografien

Il Giardino Armonico
Orchester

Il Giardino Armonico

Orchester

Il Giardino Armonico, unter der Leitung von Giovanni Antonini, wurde 1985 gegründet und hat sich als eines der weltweit führenden Ensembles mit Spezialisierung auf historische Instrumente etabliert. Das Ensemble besteht aus Musikerinnen und Musikern aus den bedeutenden Musikinstituten Europas. Sein Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf das 17. und 18. Jahrhundert. Je nach Bedarf des jeweiligen Programms besteht die Gruppe aus sechs bis dreißig Musikerinnen und Musikern.

Das Ensemble wird regelmäßig zu Festivals auf der ganzen Welt eingeladen und tritt in den bekanntesten Konzerthallen auf. Große Anerkennung erfährt es dabei sowohl für seine Konzerte als auch für seine Opernproduktionen, z. B. Monteverdis „L’Orfeo“, Vivaldis „Ottone in Villa“, Händels „Agrippina“, „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“, „La Resurrezione“ und „Giulio Cesare in Egitto“ mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen 2012.

Darüber hinaus ist Il Giardino Armonico stets intensiv mit Aufnahmen beschäftigt. Viele Jahre war das Ensemble exklusiv bei Teldec unter Vertrag und erhielt mehrere bedeutende Auszeichnungen für seine Aufnahmen von Werken von Vivaldi und den anderen Komponisten des 18. Jahrhunderts. Es folgte ein Exklusivvertrag mit Decca/L’Oiseau-Lyre für die Aufnahme von Händels Concerti Grossi op. 6 und die Kantate „Il Pianto di Maria“ mit Bernarda Fink. Bei Naïve brachte Il Giardino Armonico zudem „La Casa del Diavolo“, Vivaldis Cellokonzerte mit Christophe Coin, sowie die Oper „Ottone in Villa“ heraus, die 2011 mit dem Diapason d'Or ausgezeichnet wurde. Für das Label Onyx nahm es Vivaldis Violinkonzerte mit Viktoria Mullova auf.

Nach dem großen Erfolg und der Grammy-Auszeichnung für „The Vivaldi Album“ mit Cecilia Bartoli (Decca, 2000) führte eine erneute Zusammenarbeit mit ihr 2009 zu dem Projekt „Sacrificium“ (Decca), ein Platin-Album in Frankreich und Belgien, das einen weiteren Grammy erhielt. Produkt des jüngsten Projekts mit Cecilia Bartoli ist das Album „Farinelli“ (Decca, 2019).
Ebenfalls bei Decca brachte Il Giardino Armonico „Alleluia“ (2013) und „Händel in Italy“ (2015) mit Julia Lezhneva heraus – beide Werke wurden von Öffentlichkeit und Kritikern gepriesen.

In einer Koproduktion mit dem Nationalen Forum für Musik in Breslau (Polen) veröffentlichte Il Giardino Armonico „Serpent & Fire“ mit Anna Prohaska (Alpha Classics – Outhere Music Group, 2016) und gewann 2017 den ICMA für Barockgesang. Es folgte die Telemann-Aufnahme auf CD und LP (Alpha Classics, 2016), die 2017 den Diapason d’Or de l'Année und den Echo Klassik erhielt.
Die Einspielung von fünf Violinkonzerten von Mozart mit Isabelle Faust (Harmonia Mundi, 2016) ist das Ergebnis der hochkarätigen Zusammenarbeit mit der großartigen Violinistin und wurde 2017 mit dem Gramophone Award und Le Choc de l'année ausgezeichnet.
Ein neues Vivaldi-Album, „Concerti per flauto“, ist erschienen (Alpha Classics, March 2020) und gewann den Diapason d’Or: eine prächtige Zusammenstellung aus diesem Repertoire mit Giovanni Antonini als Soloist, aufgenommen zwischen 2011 und 2017.

Il Giardino Armonico ist Teil des Projekts „Haydn2032“, zu dessen Zweck die Joseph Haydn Stiftung Basel gegründet wurde, um sowohl die Einspielung der gesamten Haydn-Sinfonien (Label: Alpha Classics) als auch Konzerte in verschiedenen europäischen Städten mit dem thematischen Schwerpunkt auf dessen Repertoire zu unterstützen. Das erste Album mit dem Titel „La Passione“ kam im November 2014 heraus und erhielt den Echo Klassik (2015). „Il Filosofo“, 2015 veröffentlicht, wurde mit dem „Choc of the Year“ von Classica ausgezeichnet. Das dritte Album, „Solo e Pensoso“, erschien im August 2016 und das vierte Album, „Il Distratto“, kam im März 2017 heraus und gewann im selben Jahr den Gramophone Award. Die achte Einspielung, La Roxolana, wurde im Januar 2020 veröffentlicht und die neunte Aufnahme, „L’Addio“, kam im Januar 2021 heraus und gewann den „Choc of the Year“ von Classica und den Diapason d’Or. Das zehnte Album, „Les Heures du Jour“, wurde im Juli 2021 herausgebracht und gewann im Oktober 2021 den Diapason d’Or.
Der Album-Zyklus wurde kürzlich um ein weiteres monumentales Werk des österreichischen Komponisten ergänzt: „Die Schöpfung“ mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks wurde im Oktober 2020 veröffentlicht.

Das Ensemble arbeitete ebenfalls mit renommierten Soloisten wie Giuliano Carmignola, Sol Gabetta, Katia und Marielle Labèque, Viktoria Mullova und Giovanni Sollima zusammen.
2018 setzte Il Giardino Armonico seine Zusammenarbeit mit der jungen und talentierten Violinistin Patricia Kopatchinskaja mit einem Programm voller schöpferischer Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft fort, das philologische Genauigkeit und zeitgenössische Musik verbindet: Das Album „What’s next Vivaldi?“ kam im Oktober 2020 bei Alpha Classics heraus und erhielt 2021 den Opus Klassik.
Zu den jüngsten Projekten zählen die Aufnahme von „La morte della Ragione“ (koproduziert mit dem Nationalen Forum für Musik in Breslau, herausgebracht von Alpha Classics und 2019 ausgezeichnet mit dem Diapason d’Or), ein Programm zur Förderung der Aufmerksamkeit für Barockmusik in Europa und die Suche nach einer Wiederbelebung des Hörerlebnisses früher Musik.

ilgiardinoarmonico.com

Giovanni Antonini
Dirigent

Giovanni Antonini

Dirigent

Der gebürtige Mailänder Giovanni Antonini studierte an der Civica Scuola di Musica und am Zentrum für alte Musik in Genf. Er ist Mitbegründer des Barockensembles Il Giardino Armonico, dessen Leitung er seit 1989 innehat. Mit dem Ensemble trat er als Dirigent und als Solist für Block-und Traversflöte in Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Südamerika, Australien, Japan und Malaysia auf. Er ist künstlerischer Leiter des Wratislavia Cantans Festival in Polen und Erster Gastdirigent des Mozarteum Orchesters und des Kammerorchesters Basel.
Antonini hat bereits mit vielen namhaften Künstlern zusammengearbeitet, darunter Cecilia Bartoli, Isabelle Faust, Viktoria Mullova, Giuliano Carmignola, Giovanni Sollima, Sol Gabetta, Sumi Jo, Emmanuel Pahud, Katia und Marielle Labèque sowie Kristian Bezuidenhout.
Dank seiner erfolgreichen Arbeit ist Antonini gefragter Gastdirigent bei vielen führenden Orchestern. So gastiert er etwa regelmässig bei den Berliner Philharmonikern, dem Concertgebouworkest Amsterdam, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Mozarteumorchester Salzburg, dem Leipziger Gewandhausorchester, dem London Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra und dem Kammerorchester Basel.
Zu seinen Opernproduktionen gehören Händels «Giulio Cesare» und Bellinis «Norma» mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen. Im Jahr 2018 dirigierte er «Orlando» am Theater an der Wien und kehrte für Idomeneo an das Opernhaus Zürich zurück. In der Saison 21/22 wird er als Gastdirigent das Konzerthausorchester Berlin, Stavanger Symphony, Anima Eterna Bruges und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dirigieren. Außerdem wird er Cavalieris Oper «Rappresentatione di Anima, et di Corpo» für das Theater an der Wien und eine Ballettproduktion von Haydns «Die Jahreszeiten» für das Wiener Staatsballett mit den Wiener Philharmonikern dirigieren. 

Mit Il Giardino Armonico hat Giovanni zahlreiche CDs mit Instrumentalwerken von Vivaldi, J.S. Bach (Brandenburgische Konzerte), Biber und Locke für Teldec aufgenommen. Mit Naïve nahm er Vivaldis Oper «Ottone in Villa» auf, und mit Il Giardino Armonico für Decca spielte er «Alleluia» mit Julia Lezhneva und «La morte della Ragione» ein, Sammlungen von Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts. Mit dem Kammerorchester Basel hat er die gesamten Beethoven-Sinfonien für Sony Classical aufgenommen und mit Emmanuel Pahud für Warner Classics eine CD mit Flötenkonzerten unter dem Titel «Revolution». Im Jahr 2013 dirigierte er eine Aufnahme von Bellinis «Norma» für Decca in Zusammenarbeit mit dem Orchestra La Scintilla.

Antonini ist künstlerischer Leiter des Projekts Haydn 2032, mit dem die Vision verwirklicht werden soll, bis zum 300. Jahrestag der Geburt des Komponisten sämtliche Sinfonien von Joseph Haydn aufzunehmen und mit Il Giardino Armonico und dem Kammerorchester Basel aufzuführen. Die ersten 12 Editionen sind beim Label Alpha Classics erschienen, jährlich sind zwei weitere Editionen geplant.

Videos

Sinfonie Nr. 6 "Le Matin"
Sinfonie Nr. 7 "Le Midi"

Aufnahmen


VOL. 10 _LES HEURES DU JOUR

CD

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

Sinfonien Nr. 6 "Le Matin", Nr. 7 "Le Midi" und Nr. 8 "Le Soir"
W. A. Mozart: Serenade in D-Dur «Serenata notturna»


Erhältlich über:
Bider&Tanner, Basel
Outhere Music
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Jérôme Sessini / Magnum Photos

Biografie

Jérôme Sessini
Fotograf, Magnum Photos

Jérôme Sessini

Fotograf, Magnum Photos

Jérôme Sessini (geb. 1968) ist seit 2016 Mitglied von Magnum Photos. Seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckte er durch einen Fotografenfreund, der ihm Bücher über die Dokumentarfotografie zeigte. Er begann seine eigene Praxis zu entwickeln, indem er die Menschen, die Landschaften und das tägliche Leben seiner Heimatregion im Osten Frankreichs einfing.
Als er in Paris ankam, wurde er zuerst von der Fotoagentur Gamma eingestellt, um den anhaltenden Konflikt im Kosovo zu behandeln. Seitdem hat er viele internationale aktuelle Ereignisse behandelt, von der zweiten Intifada und dem Irak-Krieg über den Aufstand in Libyen bis zu den Konflikten in Syrien. Seine Arbeit wurde in zahlreichen Institutionen ausgestellt und in vielen, angesehenen Zeitungen und Magazinen veröffentlicht. Zudem erhält er grossen internationalen Beifall.
2008 begann er mit seinem Projekt «So far from God, too close to the US» (So weit weg von Gott, zu nah an der USA), das in den Krieg zwischen Drogenkartellen in Mexiko eintaucht. Diese direkte Konfrontation mit Gewalt veranlasste ihn, eine Überzeugung zu artikulieren, die im Mittelpunkt seiner Arbeit steht: "Es sind immer die gewöhnlichen Mitmenschen, die verlieren, sei es im Irak, in Mexiko oder in Frankreich."
Im selben Jahr fotografierte er Kuba nachdem Fidel Castro aus der Politik zurücktrat. 2011 berichtete er über den Aufstand in Libyen, indem er aus der Sicht der Rebellen fotografierte. 2012 und 2013 war er in Aleppo, Syrien. Im Februar 2014 erfasste er letzten Kampf um Euromaidan in Kiew, Ukraine. Diese drei Serien haben eine unglaubliche Nähe zu den Kämpfern gemeinsam. Es scheint als teile der Fotograf ihr Elend und ihre Emotionen.

Dann tritt draußen Stille ein. Eine ohrenbetäubende Stille, unlogisch wie eine abgeklopfte Sinfonie, als das Orchester gerade loslegen wollte. Es ist so, dass die Freunde Napoleon überzeugt haben. War nicht einmal schwer. Der Besatzer, der wie jeder normale Mensch den Namen des weltberühmten Musikers kennt, hat den Befehl erteilt, die Kleine Steingasse von Kriegsgewalt zu verschonen.

Ausschnitt aus dem Essay «Joseph Haydn stirbt» von Margriet de Moor


Der Essay «Joseph Haydn stirbt» von Margriet de Moor wird in der Schallplatten-Edition Vol. 10 erscheinen.

Biografie

Margriet de Moor
Autorin

Margriet de Moor

Autorin

Margriet de Moor gehört zu den bedeutendsten niederländischen Autoren der Gegenwart. Sie studierte Klavier und Gesang, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Bereits ihr erster Roman Erst grau dann weiß dann blau (Hanser, 1993) wurde ein sensationeller Erfolg. Heute sind ihre Romane und Erzählungen in alle Weltsprachen übersetzt. Ihr Werk erscheint im Hanser Verlag, zuletzt Die Verabredung (Roman, 2000), Der Jongleur(Ein Divertimento, 2008), Der Maler und das Mädchen (Roman, 2011), Mélodie d'amour (Roman, 2014), Schlaflose Nacht (2016) und Von Vögeln und Menschen (Roman, 2018).
Margriet de Moor lebt in Amsterdam.