NO.1 __LA PASSIONE

Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini,
Dirigent
Bernhard Lassahn, Autor
Gueorgui Pinkhassov, Fotografie

 

Sinfonien Nr. 1, Nr. 39 und Nr. 49
Christoph Willibald Gluck (1714–1787): Don Juan ou Le Festin de Pierre, Ballet Pantomime (1761). Originale Version

Programm

Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 1 in D-Dur, Hob. I:1 (1757)
Presto / Andante / Finale: Presto

1

SINFONIE NR. 1 D-DUR HOB. I:1 (1757)

Besetzung: 2 Ob, 2 Hr, Str
Entstehungsjahr: bis 25.11.1759 [1757]

Presto / Andante / Finale: Presto


von Christian Moritz-Bauer

Als Joseph Haydn 17 Jahre alt war, d.h. also 1749, musste er seine erste musikalische Wirkungsstätte – das Kapellhaus von St. Stephan zu Wien – verlassen. Sein Stimmbruch hatte längst eingesetzt und zudem soll er die Dummheit begangen haben, einem Mitsänger den Zopf abzuschneiden ... Es folgten Jahre materieller Not, in denen er sich «kumerhaft herumschleppen» musste, jedoch dabei mit großer Ausdauer komponierte wie musizierte («ich würde das wenige nie erworben haben, wan ich meinen Composition Eyfer nicht in der nacht fortgesezt hätte, ich schriebe fleissig, doch nicht ganz gegründet»). Von folgenreicher Bedeutung war für ihn damals das Zusammentreffen mit Niccolò Porpora, der ihm nicht nur «die ächten Fundamente der sezkunst», sondern auch Kontakte zur adeligen Gesellschaft vermittelte. Der Opern- und Oratorienkomponist von europäischem Ruf residierte nämlich – genau wie Haydn – im sog. Michaelerhaus (letzterer allerdings vergleichsweise ärmlich, in einer ungeheizten, zugigen Dachkammer. Als am Klavier begleitender Assistent des auch als Gesangslehrer überaus gefragten Neapolitaners betreibt Haydn ein mit der Zeit immer erfolgreicheres «networking», trifft in den Stadtpalais und auf den nahegelegenen Landsitzen des Adels auf manch musikalischen Wegbereiter und -begleiter, wie etwa Gluck, Wagenseil und Dittersdorf. Ob es sich nun in Mannersdorf am Leithagebirge, einem Modebad der Zeit, oder doch an einem anderen Ort zugetragen hat – um 1755 trifft Haydn in der Person des Baron Carl Joseph Edler von Fürnberg auf den wichtigsten Förderer seiner noch jungen Karriere, wird von ihm zum gemeinsamen Musizieren auf Schloss Wienzierl in Niederösterreich eingeladen, zur Komposition seiner ersten Streichquartette anregt, und schließlich – welch enormer Schritt in die Zukunft – an die Grafen Morzin, d.h. Ferdinand Maximilian Franz oder vielmehr dessen Sohn Karl Joseph Franz vermittelt, der gerade einen Musikdirektor für seine neue Hofkapelle suchte.. Den migratorischen Gepflogenheiten der Zeit entsprechend verbrachten diese den Sommer auf ihrem Familiensitz, dem nahe Pilsen gelegenen Dolní Lucavice sowie den Winter in Wien, dort allerdings als Mieter im Palais des Fürsten Batthyány.
Die Lebensumstände, derer sich Haydn in seinem ersten Dienstverhältnis erfreuen konnte, schienen im Vergleich zu seiner bisherigen Situation, geradezu hervorragend. Haydn erhielt freie Unterkunft, ein Jahresgehalt von 200 Gulden und wurde an der Offizierstafel verköstigt. Leider wissen wir darüber hinaus so gut wie gar nichts über die Zeit, die Haydn zur Hälfte im westlichen Böhmen verbrachte. Nicht einmal über das Jahr der Anstellung – manche wollen sie auf 1759 datieren, andere früher – ist sich die Nachwelt einig. Dabei scheint des Rätsels Lösung doch ganz einfach – falls man ein wenig um die Ecke zu denken bereit ist und der gegenüber Georg August Griesinger getätigten Aussage vertraut, laut der sich der in die Jahre gekommene Tonschöpfer «lebhaft erinnert» haben soll, dass jenes Werk, um das es im Folgenden gehen wird, unter seinen Sinfonien tatsächlich das erste gewesen sei.

Eine im südböhmischen Krumau aufbewahrte, von einem Wiener Berufskopisten stammende Stimmenabschrift der als zweitälteste angesehenen Haydn-Sinfonie Hob. I:37 trägt die Jahreszahl [1]758. Da nun eine in fürstlichen Diensten entstandene Komposition (den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend) nicht vor einem Jahr nach Vollendung auf dem Musikalienmarkt erscheinen durfte, so stammt sie – wie auch die zuvor entstandene Hob. I:1 – folglich aus 1757. Da Haydn zudem vor seiner Ernennung zum Leiter der Morzin'schen Hofmusik «vermutlich keinen Anlass hatte, Sinfonien oder andere größere, insbesondere mit Bläsern besetzte Werke zu schreiben», dürfte demnach auch sein Amtsantritt in genau jene Zeit gefallen sein.

In wieweit Haydn, der sich sein Handwerkszeug zu größten Teilen autodidaktisch erworben hatte, vor oder während der Komposition seiner sinfonischen Frühwerke nach Vorbildern gesucht oder sich nur hatte inspirieren lassen, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls wurde der Beginn der Sinfonie Nr. 1 lange Zeit mit der sog. Mannheimer Schule und deren zum Sprichwort gewordenem Orchestercrescendo in Verbindung gebracht. Solch eröffnende Gesten mit einer im Tutti angelegten, sich über trommelnden Bässen erhebenden, in Tonhöhe wie Dynamik ansteigenden Linie, wie sie die eröffnenden Takte einnimmt, finden sich aber nicht nur in den Werken der Mannheimer sondern auch manch eines Wiener Zeitgenossen wieder und alle schöpfen sie aus dem Fundus der italienischen Opernsinfonie, in deren dreisätziger Form auch unser Erstlingswerk steht. Seine Energie und überbordende Fülle an kontrastreichem, thematischen Material, seine durch Tremoli, virtuose Läufe mit kontrapunktischen Interaktionen und mitreißenden Hornfanfaren zum Ausdruck gebrachte innere Erregtheit: all dies malt sie mit Tönen nach – die Aufbruchstimmung, die Leidenschaft eines geradezu beflügelt agierenden jungen Künstlers.
Verblasst da nicht alle Kritik der Herren Analytiker? Manch einer gerät sogar ins Schwärmen – Ludwig Finscher beispielsweise – bei dem, über das anfängliche Presto berichtend, von «Konzentration der Form – ein ausgebildeter Sonatensatz mit knapper Durchführung», einem die Reprise vorbereitenden «musikdramatischen Ausbruch» und einem meisterhaften, «ganz detail-ökonomischen Aufbau» die Rede ist.
Das zentrale Andante, in dem (nach frühklassischer Manier) die Bläser zu schweigen haben und ein von den 1. Violinen vorgestelltes, später dialogisch wiederkehrenden Triolenmotiv eine besondere Bedeutung erhält, «begründet die unnachahmlich lebhafte Tiefsinnigkeit, die so charakteristisch für Haydns Andante-Mittelsätze ist.» (James Webster)
Mit einem raketenartig aufsteigenden D-Dur-Dreiklang zündet Haydn im Finalsatz von Hob. I:1 – abermals ist Tempo Presto vorgeschrieben – ein kurzes aber umso leuchtenderes Feuerwerk, welches die Qualität eines typischen «Rausschmeißers» in sich trägt, dabei aber mit einigen (überaus gewollten) unerwarteten Unvorhersehbarkeiten auf sich aufmerksam macht, wie etwa ein satzübergreifendes «Motivrecycling» vor Eintritt der Reprise.

Der Dienst des Joseph Haydn im Hause Morzin währte nur wenige Jahre: In Folge eines Vermögensverlustes, so heißt es, habe der Graf seine Kapelle erst reduzieren und schließlich auflösen lassen. In wieweit Haydn das Ende seines Directeur-Postens hatte kommen sehen, muss dahin gestellt bleiben. Jedenfalls finden wir ihn – und das obwohl per Morzin'schem Vertrag angeblich ein ausdrückliches Heiratsverbot bestand – auf Freiersfüßen wieder. Haydn hatte sich verliebt und zwar in die Tochter des Perückenmachers Johann Peter Keller aus der Wiener Vorstadt Landstraße. Sie hieß Therese und war seine Klavierschülerin gewesen. Aber anstelle in den Bund der Ehe einzugehen, trat sie ins Kloster der Piaristinnen ein. Warum? Wir wissen es nicht. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Eltern Theresens das «Recht der Eheschließung« – weil ihnen ihr Geld nur für eine Mitgift zu reichen erschien – zum Privileg der älteren Tochter erklärten. Diese hieß bei den Kellers Maria Anna Aloysia und sollte am 26. November 1760 mit Haydn die Ringe tauschen – obwohl ihre Natur so überhaupt nicht zu der seinigen passte. Angeblich hatte sie einen Hang zur Geldverschwendung, war zanksüchtig und ganz und gar nicht kunstsinnig. Kurz nach der Hochzeit soll sie erklärt haben, dass es ihr völlig egal sei, ob ihr Ehemann ein Komponist oder ein Schuster sei. Die Ehe blieb ohne Kinder und dauerte beinahe 40 Jahre, bis zum Tode Maria Annas im Jahre 1800.

Dieser wie auch die folgenden O-töne Haydns entstammen der sog. "Skizze einer Autobiographie" welche am 6. Juli 1776 und in Briefform an eine Mademoiselle Leonore verfasst, wohl zur Aufnahme in «Das gelehrte Österreich», ein lexikographisches Werk des Staatsrechtler und Schriftstellers Ignaz de Luca gedacht war.
Dass es einst der jüngere Morzin gewesen war, der für Haydns Anstellung gesorgt hatte, kann wiederum aus der autobiographischen Skizze von 1776 abgeleitet werden, in der der Autor von der «Reccomendation des Sel: [also verstorbenen] Herrn v. fürnberg bey Herrn grafen v. Morzin» berichtet. Wenn es in Wahrheit der ältere Morzin (†1763) gewesen wäre – hätte ihm hier nicht korrekterweise auch etwas «Seligkeit» zugeteilt werden müssen?
Hinzu kommt, dass Haydn – als er in späten Jahren im Auftrag des Verlagshaus Breitkopf & Härtel eine Liste seiner Sinfonien durchsah – die früheste Gruppe mit dem Zeitraum 1757-67 überschrieb.
Ludwig Finscher, Joseph Haydn und seine Zeit, Laaber 2000, S. 130.
Derzeitigen Erkenntnissen zufolge sollen es in etwa vierzehn Sinfonien gewesen sein, bevor ihn der Ruf der Fürsten Esterházy ereilte. Nach traditioneller, jedoch chronologisch neu geordneter Zählung handelt es sich dabei um die Nummern 1, 37, 4, 5, 25, 32, 33, 11, 3, 107 («A»), 2, 15, 10 und 27.
Als dem Beginn Haydn-Sinfonie besonders nahestehendes Vergleichswerk führt A. Peter Brown (The Symphonic Repertoire Vol. II – The First Golden Age of the Viennese Symphony: Haydn, Mozart, Beethoven and Schubert, Bloomington 2002) Florian Leopold Gassmanns Sinfonia zur Oper L'Issipile (1758) an.
Finscher, Joseph Haydn und seine Zeit, S. 133.

VOL. 1 _LA PASSIONE

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

Download

zum Projekt
zum Shop

Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 39 in g-Moll, Hob. I:39 (1765)
Allegro assai / Andante / Menuet. Trio / Finale: Allegro di molto

39

SINFONIE NR. 39 G-MOLL HOB. I:39 (1765)

Besetzung: 2 Ob, 4 Hr, Str
Entstehungsjahr: bis 1770 [Mai-Sept.? 1765]

Allegro assai / Andante / Menuet. Trio / Finale: Allegro di molto

 

von Christian Moritz-Bauer

Mit Hob I:39 hat das vorliegende, dem Motto «Leidenschaft» gewidmete und mit «La Passione» überschriebene Programm nicht nur einen weiteren Schöpfungsakt – dem sinfonischen Erstling aus 1757 folgt Haydns erste in einer Molltonart Geschriebene – sondern auch einen Höhepunkt der ganz besonderen Art anzubieten: des Komponisten einziger, nach allen Regeln der Kunst geschaffener Beitrag zur g-Moll-Sinfonie der Wiener Klassik und deren historischem Vorfeld. Aus diesem Anlass sei hier zunächst ein Exkurs unternommen, der jener in zwei größeren Wellen mit durchaus wahrscheinlicher, gegenseitiger Anregung zw. 1758 und 1773 bzw. 1785 und 1788 entstandenen Gruppe an Werken gewidmet ist, welche sich im kollektiven Gedächtnis von Musikforschenden, -ausübenden wie -liebhabern als die wohl dramatischste unter den Sinfonien jener Zeit festsetzen konnte.
Das Wort hat Herr Prof. em. Dr. Klaus Hortschansky, u.a. Vize-Präsident des Joseph Haydn-Instituts in Köln:

«Spätestens seit Hermann Aberts (1871-1927) Überarbeitung der großen Mozart-Biographie von Otto Jahn (1813-1869) in den Jahren 1919-1921 wird den g-Moll-Sinfonien Mozarts oder auch Haydns ein besonderes Augenmerk gewidmet und ihnen dabei ein tieferer, bedeutungsvollerer Empfindungs- oder Ausdrucksgehalt zugeschrieben als manch anderem Werk. Das ließe sich anhand der wissenschaftlichen wie auch der popularisierenden Literatur leicht belegen. Beispielhaft sei etwa darauf hingewiesen, dass Otto Jahn 1856 die «kleine» g-Moll-Sinfonie Mozarts KV 183 noch in einem einzigen Satz behandelte, während Abert beinahe vier Seiten auf die Beschreibung «jener leidenschaftlichen, pessimistischen Stimmung […] die seit dem Lucio Silla in Mozart immer wieder zum Ausdruck kommt», verwendet. Im Gefolge des für ein neues Mozartverständnis nach dem 1. Weltkrieg grundlegenden Werkes von Abert beschäftigte man sich nun auch bald mit den g-Moll-Sinfonien anderer Komponisten wie Johann Christian Bach (1735–1782), Johann Baptist Vanhal (1739–1813), Leopold Kozeluch (1752–1818) oder Franz Beck (1723–1809). Mancher Komponist erfuhr in der Literatur geradezu eine Aufwertung dadurch, dass er eine g-Moll-Sinfonie geschrieben hatte. In Susanne Clercx' Monographie zu Pierre van Maldere von 1948 etwa nimmt die Erörterung der g-Moll-Sinfonie [der Nr. 1 aus dessen 1764 erschienenem Op. IV] bei weitem den breitesten Raum im Rahmen der Auseinandersetzung mit dessen sinfonischem Oeuvre ein. Rund um die g-Moll-Sinfonien entbrannte sowohl in der allgemeinen als auch in der monografischen Literatur zu den einzelnen Komponisten die Diskussion um die Bedeutung dieser Werke im Schaffen des einzelnen Künstlers wie auch im Rahmen allgemein geistesgeschichtlicher Zusammenhänge. Zwei hier stark vereinfachte Denkmodelle sind dabei immer wieder vorgetragen worden […]:

Modell I: Eine jedwede g-Moll-Sinfonie an sich erwächst aus einer «romantischen Krise» des Komponisten. Überhaupt soll eine persönliche innere Anteilnahme an einem Moll-Werk vergleichsweise größer sein als an anderen, also Dur-Werken, und ein Moll-Werk beinhalte nicht selten eine Selbstdarstellung des Komponisten.
Eine solche Interpretation ist bereits bei Hermann Abert, sofern es die persönliche Haltung Mozarts betrifft, und wird von Howard Chandler Robbins Landon in einem 1956 in Paris gehaltenen Vortrag mit dem Titel «La crise romantique dans la musique autrichienne» weiterentwickelt. Robbins Landon stellt dabei einige Vorläufer zu Mozarts «kleiner» g-Moll-Sinfonie im Wiener Umkreis um 1770 unter den Gesichtspunkt einer kompositorischen Reform in den Zusammenhang einer Schule. Die persönliche Krise ist dabei zugleich eine «crise émotionelle collective».

Modell II: Jede g-Moll-Sinfonie ist das Resultat der von Herder und den norddeutschen Dichtern um Klopstock ausgehenden Welle des «Sturm und Drang», deren Gefühlsüberschwang und die Form als Norm sprengende, Ausdrucksbefriedigung verheißende Ästhetik sich nun auch die Komponisten zu eigen machen wollten. Ansatzpunkt für eine solche Interpretation ist Hans Heinrich Eggebrechts Aufsatz über «Das Ausdrucksprinzip im musikalischen Sturm und Drang», in dem der Wandel von der Affekten-Theorie zu einer neuen Ausdrucksästhetik behandelt wird.

Während jene Modelle, die ursprünglich zur Abgrenzung von anderen, weniger ausdrucksstarken Instrumentalwerken ihrer Zeit herangezogen wurden, nun schon seit Jahren zusehends an Anhängerschaft verlieren, trotzdem aber – zumindest was den «Sturm und Drang» betrifft – entgegen wiederholter Bemühungen seitens der Forschung noch immer durch keinen Alternativbegriff nachhaltig verdrängt werden konnten, hat es selbige doch mittlerweile geschafft, bei zahlreichen vormals ungeklärten Datierungsfragen ein Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen. Als besonders hilfreich hat sich im Falle der g-Moll-Sinfonie Joseph Haydns, neben dem «Entwurf-Katalog», den der Komponist Ende 1765 angelegt hatte und in dem sie unter den Nachträgen der zweiten erhaltenen Seite aufscheint, v.a. die Auswertung des «Catalogue de Mr de Keeß à Vienne», des sog. Keeß-Katalogs erwiesen. Selbiger, der ein Verzeichnis von dereinst im Besitz des Franz Bernhard Ritter von Keeß befindlichen Abschriften Haydn'scher Sinfonien von deren Anfängen bis ins Jahr 1789 in annähernd chronologischer Folge darstellt, listet die Nr. 39 im Hoboken-Verzeichnis zwischen den beiden im Autograph erhaltenen und mit 1765 datierten Sinfonien Nr. 29 (E-Dur) und Nr. 28 (A-Dur). Als weiteres Mittel zur Eingrenzung ihres Entstehungszeitraumes hat Sonja Gerlach die hier geforderten vier anstelle der gewöhnlich nur zwei verwendeten Hornstimmen angeführt – eine Besetzung, die Haydn ab dem Mai jenen Jahres (seit 1763 erstmals wieder) zur Verfügung stand und noch vor dessen Abschluss in der Komposition der Nr. 31 zu abermaligem Gebrauch gelangen sollte. Anders jedoch als in jener D-Dur-Sinfonie lässt Haydn die beiden zu Paaren in B alto und in G gestimmten Hörner in diesem von Gerlach als «regelrechte Streicher-Sinfonie» apostrophierten «genialem Werk» aber kaum jemals gleichzeitig, sondern meist nur im Wechsel miteinander erklingen. Warum nur dann dieser Aufwand?
Der Einsatz eines zweiten Hornpaares hat in diesem besonderen Fall mit der der kompositorischen Arbeit vorausgehenden Entscheidung für eine Molltonart sowie der zugleich gefassten Idee zu tun, den Hörnerklang auch in den der Klangwelt der Dur-Parallele zugehörigen Seitenthemen der Ecksätze zum Einsatz zu bringen, ohne dass deren Spieler die Stimmbögen ihrer Instrumente, auf deren jeweilige Naturtonreihe ihr Repertoire an Tönen beschränkt war, in großer Eile zu wechseln hätten.
Was macht nun ein Haydn aus den ihm hierdurch gegebenen harmonisch-melodischen wie klangfarblichen Möglichkeiten? Die ersten Takte des Allegro assai aus Hob. I:39 bringen mit ihrer «wiegenden Seufzerbewegung nichts anderes als die Präsentation der kleinen Terz und die Markierung der V. Stufe, nämlich D-Dur. Das scheint zunächst wenig zu sein;» konstatiert Hortschansky und es sei ihm recht gegeben, denn auch der Nachsatz des eröffnenden Themas besteht gewissermaßen nur aus einer Aneinanderkettung von zu Vorhaltsnoten degradierten Leittönen, die aber durch manch einen dazwischen geschalteten Septimsprung die erwartete «dramatische Note» erhält. Die Genialität des Satzes offenbart sich erst ein wenig später, genauer gesagt inmitten der sich direkt anschließenden, allzu wörtlich beginnenden Wiederholung des Themas. Dieses wechselt nämlich auf halber Strecke plötzlich nach B-Dur und trotz dieser Umblendung ins andere, vermeintlich lichtere Tongeschlecht, werden die Zuhörer mit einem Male – ob sie nun darauf gefasst waren oder nicht – von der vorwärts drängenden Energie und Leidenschaft der Musik vollkommen mitgerissen, wozu nicht nur die sich wiederholt in abwärts gerichtete Tiraden stürzenden Läufe der Violinen, sondern auch ein kurzer, kraftvoller Schlagabtausch der beiden Hörnerpaare das ihrige beisteuern. Die Ambivalenz von Moll und Dur bleibt uns denn über alle folgenden Formteile erhalten, was für anhaltenden Konfliktstoff zwischen alten und neu(verarbeitet)en Motiven und den von ihnen eingenommen von Pausen durchtrennten Passagen sorgt.

Wenngleich der folgende, im Tempo zurückgenommene Satz nicht an die vorausgehende Theatralik anknüpft, so haben wir es hier weiß Gott nicht mit «a great disappointment» (H.C. Robbins Landon), sondern viel eher mit einem auf den Fußspitzen getanzten Andante im 3/8-Takt zu tun, welches in der für Haydn recht ungewöhnlichen Tonart der Untermediante (also in Es-Dur) steht und sich manch geistreicher Pointe rühmen kann – einschließlich eines im Pianissimo verklingenden, kurzen Nachspiels.
Dem von Antonini mit strengem Gestus geleiteten und von seinen Mitstreitern in zügigem Tempo genommenen Menuet mit solistisch geführten Oboen und Hörnerstimmen im Trio – hier sind diejenigen in «hoch B», danach wieder jene in G an der Reihe – folgt ein abermals zur Gänze von Bühneneffekten erfülltes Allegro di molto, in dem es ausgehend von weiten Intervallsprüngen der 1. Violinen über erregten 16tel-Repititionen der Zweiten sowie der Violen, von sich mitunter taktweise aufkreuzenden dynamischen Kontrasten und rhythmischen Akzenten nur so blitzt und blinkt. Machen Sie sich auf wilden Ritt der lombardischen Musiker gefasst, welcher nur in einer, dadurch umso merkwürdiger erscheinenden Passage eine vorübergehende Beruhigung erfährt: den ins Piano zurückgenommenen intimen Zwiegesang der Violinen zu Beginn der Durchführung.

Das Nicht-Hinzurechnen der Pariser Sinfonie Nr. 83, auch als "La Poule" ("Die Henne") bekannt, begründet sich dadurch, dass hier alsbald – genauer gesagt ab dem erstmaligen Erklingen des "gackernden" Seitenthemas das harte über das weiche Tongeschlecht die Oberhand gewinnt sowie das Ende des Kopfsatzes, der Menuett- und der Finalsatz zur Gänze in der Durvariante zum anfänglichen g-Moll stehen.
Otto Jahn, W. A. Mozart, Bd. 1, Leipzig 1856, S. 566; Hermann Abert, W. A. Mozart, 7. Aufl., Bd. 1, Leipzig 1955, S. 316-319.
H. C. Robbins Landon, La crise romantique dans la musique autrichienne vers 1770. Quelques précurseurs inconnus de la symphonie en sol mineur (KV 183) de Mozart, in: Les influences étrangères dans l'œuvre de W.A. Mozart. Colloques internationaux […], Paris 1956, S. 27-47.
Ebd. S. 32.
In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 29 (1955), S. 323-349; auch in: Hans Heinrich Eggebrecht, Musikalisches Denken. Aufsätze zur Theorie und Ästhetik der Musik, Wilhelmshaven 1977, S. 69-111 (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft 46).
Klaus Hortschansky, Die g-Moll-Sinfonie zur Zeit der Wiener Klassik, in: Traditionen - Neuansätze: Für Anna Amalie Abert (1906-1996), hrsg. von Klaus Hortschansky, Tutzing 1997, S. 329-348, hier S. 330f.
Sonja Gerlach, Neues zur Chronologie von Haydns Sinfonien, in: Das symphonische Werk Joseph Haydns. Referate des internationalen musikwissenschaftlichen Symposions Eisenstadt, 13.-15. September 1995, hrsg. Von Gerhard J. Winkler, Eisenstadt 2000, S. 15-26, insbes. S. 22ff. (= Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 103).
Ebd. S. 25.
Hortschansky, Die g-Moll-Sinfonie zur Zeit der Wiener Klassik, S. 340.
10 H. C. Robbins Landon, The Symphonies of Joseph Haydn, London 1955, S. 296.

VOL. 1 _LA PASSIONE

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

Download

zum Projekt
zum Shop

Christoph Willibald Gluck (1714–1787): Don Juan ou Le Festin de Pierre, Ballet Pantomime (1761). Originale Version
Sinfonia. Allegro / Andante Grazioso / Andante / Allegro forte risoluto / Allegro gustoso / Moderato / Grazioso / Allegro / Moderato – Presto / Risoluto e Moderato / Allegro / Allegro / Allegro / Andante staccato / Larghetto / Allegro non troppo

+

Chr. W. GLUCK: DON JUAN OU LE FESTIN DE PIERRE, BALLET PANTOMIME (1761). ORIGINALE VERSION

Sinfonia. Allegro / Andante Grazioso / Andante / Allegro forte risoluto / Allegro gustoso / Moderato / Grazioso / Allegro / Moderato – Presto / Risoluto e Moderato / Allegro / Allegro / Allegro / Andante staccato / Larghetto / Allegro non troppo 

 

Gekürzte Fassung aus:
Sybille Dahms, Einige Fragen zur Originalfassung von Gluck und Angiolinis Don Juan

in: Christoph Willibald Gluck und seine Zeit, hrsg. von Irene Brandenburg, Laaber 2010, S. 148-157.

Als die Ballettpantomime Don Juan mit der Ballettmusik Christoph Wlillibald Glucks und in der Choreographie von Gasparo Angiolini am 17. Oktober 1761 ihre Erstaufführung erlebte, dürfte es nur einem kleinen Teil des Publikums bewusst gewesen sein, dass man einem Ereignis beiwohnte, das später als einer der Meilensteine der Ballettgeschichte gewertet werden würde. Le Festin de Pierre / Das steinerne Gastmahl, wie der Titel der Premiere lautete, war eines der ersten vollständig ausgeführten ballets en action, da hier eine komplette dramatische Handlung ohne den Gebrauch eines gesprochenen oder gesungenen Textes, jedoch ausschließlich mittels der neu entwickelten Sprache der Gestik und Mimik dargestellt wurde – in der Sprache des Körpers en action, wie Noverre dies in seinen Lettres sur la Danse et sur les Ballets nannte. In Don Juan wurde die stumme Körpersprache durch die kongeniale Musik Glucks unterstützt, die all jene semantischen Qualitäten bereitstellte, die zum Ersatz des gesprochenen Wortes notwendig waren. «Musik ist ein wesentlicher Teil des pantomimischen Balletts. Es ist die Musik, die spricht, wir machen nur die Gesten», schreibt Angiolini in seinem Vorwort zum Don Juan-Programm.

In Wien war die Atmosphäre zur Etablierung neuer Entwicklungen in den Künsten ganz allgemein und speziell für das Theater zu dieser Zeit besonders günstig. Im Jahr 1754 war der gebürtige Genueser Graf Giacomo Durazzo, ein Diplomat und passionierter Theaterliebhaber, zum Direktor der Wiener Bühnen ernannt worden – für das Burgtheater (zumeist von der kaiserlichen Familie und dem Adel frequentiert) und für das Kärntnertortheater (das Theater des Bürgertums / der Mittelklasse). In Zusammenhang mit dem vom österreichischen Staatskanzler Fürst Kaunitz eingeleiteten Wandel in der österreichischen Außenpolitik, der zu einer Annäherung zwischen Österreich und Frankreich führte, versuchte Durazzo, die kulturellen Verbindungen beider Länder enger zu gestalten, und als ein Mann der Aufklärung war es sein besonderes Anliegen, konstruktiven Kontakt zu Pariser Künstlern und Intellektuellen herzustellen. Sein wichtigster Korrespondent in Paris war der wendige Charles Simon Favart, der ihn nicht nur mit Libretti und Musikalien für Komödien und Opéras-comiques, sondern auch mit entsprechenden Schauspielern, Tänzern, Bühnenbildnern und Bühnentechnikern versorgte und ihn darin unterstützte, eine französische Theaterkompanie am Burgtheater zu etablieren. Gleichzeitig sammelte Durazzo um sich einen ausgewählten Kreis von Künstlern, Intellektuellen und adeligen Amateuren, die ihn in seinen Bestrebungen für ein autonomes Wiener Theater unterstützten und anregten, einem Theater, in dem sich der neue Geist der Aufklärung mit österreichischer Volkstheatertradition und italienischer Oper verbinden sollte. Ab 1761, nahm Gluck eine Führungsrolle in diesem inspirierten und inspirierenden Kreis ein; hierbei war der Schriftsteller und Abenteurer Ranieri de' Calzabigi an seiner Seite. Ebenfalls zu diesem Kreis zählte der Wiener Ballettmeister Franz Anton Hilverding, der in den 1750er Jahren bereits damit begonnen hatte, mit volkstümlichen Wiener Genreballetten zu experimentieren, die ganz auf der Linie der von Durazzo angestrebten Vorstellungen lagen, wobei ihm bald sein genialer Schüler, der gebürtige Florentiner Gasparo Angiolini, assistierte. Als Hilverding 1758 einem Ruf der Zarin Elisabeth folgte, um am russischen Hof die Position eines Ballettmeisters zu übernehmen, wurde Angiolini sein Nachfolger als Ballettmeister der Wiener Bühnen, nahm aber auch weiterhin die Position des «Premier Danseur» (des ersten Solotänzers) wahr.

Nach 1758 ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Angiolini und Gluck nachweisbar, wobei beide kleine Genreballette à Ia Hilverding zunächst als Experimentierfeld benützten, bis sie sich schließlich 1761, einem bedeutenden Stoff der Weltliteratur für die Ballettpantomime, Le Festin de Pierre / Don Juan, zuwandten. Mit ihrem Don Juan-Ballett schlugen sie nicht nur ein bedeutendes Kapitel der Ballettgeschichte auf, sondern dieses Werk erfüllte darüber hinaus zweifellos auch die Funktion eines Pilotprojektes für Glucks und Durazzos Ideen einer Reform der Oper. Diese Reform sollte nicht nur auf einem Wandel in der musikalischen Dramaturgie basieren, sie sollte zudem einen neuen Typus der dynamischen Annäherung an die Bühnenpräsentation anstreben, die nicht nur die Bewegung auf der Bühne. sondern auch die Bühnenausstattung und -technik betraf, wie dies bereits in den Balletten Hilverdings und Angiolinis während der 1750er Jahre erprobt worden war. So erscheint es nur als logische Folge, dass das Team Gluck, Calzabigi und Angiolini ein Jahr nach Don Juan mit der Azione teatrale Orfeo am 5. Oktober 1762 an die Öffentlichkeit trat, mir jener epochemachenden Oper, in der der Durazzo-Kreis erstmals nahezu alle seine Vorstellungen erfüllt sah.

Dass das Don Juan-BalIett tatsächlich die Funktion eines Pilot-Projektes erfüllte, wird durch das Faktum gestützt, dass es in einer ziemlich großen Zahl von Quellen dokumentiert wurde, die uns nicht nur über das Werk selbst, sondern auch über dessen Entstehungsprozess und über die Rezeption informieren. Doch diese umfangreiche Dokumentation ist - insbesondere was die musikalischen Quellen betrifft – auch mit einigen ernsteren Problemen verbunden, denn wie bei vielen Werken Glucks gilt die autographe Partitur als verloren. Handschriftliche Kopien, die zumeist zu Glucks Lebzeiten entstanden sind und die aus Stimmensätzen, Partituren, Klavierauszügen und anderen Instrumentalbearbeitungen bestehen, überliefern das Ballett in unterschiedlichen Versionen:

Die allgemein bekannte und heute noch gängige Langfassung, die aus 31 Nummern besteht; sie wurde im 20. Jahrhundert zweimal in kritischen Ausgaben vorgelegt. In dieser Fassung war das Ballett auch erstmals im Druck, und zwar in Form eines Klavierauszuges zu Beginn des 19. Jahrhunderts (vermutlich vor 1825) bei Wollank in Berlin erschienen. Diese Langfassung ist in einem einzigen Manuskript vom Ende des 18.Jahrhunderts überliefert; von dieser Quelle ausgehend wurden während des 19. Jahrhunderts verschiedene weitere Abschriften angefertigt.
Die Kurzfassung, die aus 15 Nummern besteht, die alle in der Langfassung enthalten sind, wobei man allerdings eher von 13 Nummern sprechen sollte, denn die Nummer 25 der Langfassung wurde hier in drei Nummern unterteilt. Diese Kurzfassung ist in elf handschriftlichen Kopien überliefert, die sich aufgrund einer Reihe von Indizien (wie etwa Papierqualität, handschriftliche Charakteristika, spärliche Angaben zur Dynamik und Artikulation etc.) auf einen nicht zu weit von den ersten Aufführungen entfernten Zeitraum datieren lassen.
Es existiert überdies eine zweite Langfassung, die sich in der Bibliothek des Konservatoriums in Parma befindet und bislang kaum Beachtung gefunden hat, obwohl sie Glucks Namen auf der Titelseite trägt und mindestens soviel Originalmusik enthält wie die allgemein bekannte Langfassung. Diese Parma-Version besteht aus 19 Nummern, wobei alle Nummern der Kurzfassung Verwendung finden, allerdings oft auf dreifache Länge erweitert.

Doch das Don Juan-Ballett ist nicht nur musikalisch überliefert. Da gibt es das «Programm», das Angiolini vermutlich in Zusammenarbeit mit Calzabigi für die Premiere verfasste und dessen französische Version im Wiener Verlagshaus Trattner, die deutsche im Verlag van Ghelen erschien. Darin veröffentlicht Angiolini einen kurzen Essay, seine erste «Dissertation», in der er den «coup d'essay» der Wiederbelebung der Pantomime «nach Art der Alten» erläutert. Hier verteidigt er auch die Wahl des Stoffes: Don Juan war bereits als gesprochenes Drama aufgeführt worden; warum sollte es nicht auch in getanzter Form erfolgreich sein? Er fügte hierbei auch eine Art Ballettlibretto bzw. Szenar ein, eine Beschreibung der Handlung, die er in drei Akte unterteilte. Obwohl der Inhalt zu dieser Zeit in Wien mehr als bekannt war – Molières Komödie war im französischen Theater aufgeführt worden, und eine deutsche Version wurde mit großem Erfolg im Kärntnertortheater gegeben – war sich Angiolini offensichtlich nicht ganz sicher, ob die neuentwickelte pantomimische Sprache seiner Tänzer-Darsteller wirklich für ein hierin noch unerfahrenes Publikum zur Gänze verständlich wäre.
Aus diesem «Libretto» wird ersichtlich, dass es nur eine äußerst begrenzte Auswahl von Motiven aus dem Spektrum des Don Juan-Mythos' enthielt, aus diesem reichen Fundus von Legenden aus dem mediterranen Raum, die in zahllosen Versionen von zum Teil hoher Literarischer Qualität seit Beginn der 17. Jahrhunderts dramatisiert worden waren. Diese Don Juan-Dramen, die auch einen starken Einfluss auf das musikalische Theater Ihrer Zeit ausübten, führten eine große Vielfalt von Standardmotiven und Topoi ein. Verglichen mit diesem traditionsreichen Repertoire erscheint Angiolinis Don Juan auf ein Minimum reduziert. Die stark gekürzte Handlung ist in drei Akte unterteilt:

Don Juan verführt Donna Elvira, die Tochter des Kommandeurs, dessen fehlgeschlagene Rache und sein Tod im Duell mit Don Juan.
Don Juan gibt ein Fest für seine Freunde und Maitressen. Am Höhepunkt der Vergnügungen erscheint der Geist des toten Kommandeurs als Statue. Die verängstigten Gäste fliehen, Don Juan lädt die Statue zum Gastmahl ein, die Statue lädt Don Juan in ihr Grab ein, Don Juan nimmt die Einladung an, und das Gespenst entfernt sich. Don Juan versucht, seine Gäste aufzumuntern, doch sie fliehen erneut. Don Juan fordert von seinen Diener, ihn zum Friedhof zu begleiten, doch dieser verweigert den Befehl.
Im Mausoleum ermahnt das Gespenst Don Juan zur Reue und rät ihm, seinen Lebenswandel zu ändern. Don Juan bleibt verstockt. Die Hölle öffnet sich, und eine große Menge von Furien quält Don Juan und zieht ihn in den Abgrund.

Hier stellt sich nun die Frage: Sah das Publikum der Erstaufführung das Don Juan-Ballett in der im Programm beschriebenen Form? Zwei unschätzbare Augenzeugenberichte belegen, dass dem nicht so war.
Einer dieser Augenzeugen war Philipp Gumpenhuber: Der Hilfschoreograph und Bühnendirektor an den Wiener Theatern stammte aus einer österreichischen Tänzerdynastie. In seinem handschriftlich überlieferten Repertoire de tous les Spectacles, qui ont été donné [sic] au Théatre de la Ville verzeichnete er tägliche Berichte über alle Proben, Aufführungen oder sonstige wichtige Vorkommnisse des Theateralltags, wozu er höchstwahrscheinlich von Graf Durazzo beauftragt worden war, dem diese Aufzeichnungen auch gewidmet sind.
Gumpenhuber überliefert interessante Fakten bezüglich der Generalprobe, die am selben Tag wie die Premiere stattfand, und er erwähnt, dass das Ballett lediglich aus zwei Teilen bestand und nennt auch nur zwei Protagonisten: Don Juan, getanzt von Angiolini selbst, und den Kommandeur, getanzt von Pierre Bodin, einem der Premiers Danseurs der französischen Kompanie.

Diese bereits reduzierte Version von Angiolinis Originalszenar erscheint in der Beschreibung des zweiten Augenzeugen, des Grafen Karl Zinzendorf, sogar noch kürzer. Dieser leidenschaftliche Theaterliebhaber, der keine Premiere und kein bedeutendes Theaterereignis versäumte und dessen Tagebuch daher eine Quelle unschätzbaren Werts für das Wiener Theaterleben dieser Epoche ist, hatte natürlich der Premiere von Don Juan beigewohnt. Die Beschreibung in seinem Tagebuch stimmt nur bezüglich des ersten Aktes und des ersten Teils des zweiten Aktes mit dem gedruckten Szenar überein; doch ab dem Auftritt des Gespenstes unterscheidet sich die Handlung deutlich von der von Angiolini angegebenen. Nach der Flucht der verängstigten Gäste folgt eine Szene, in der Don Juan sich über den Geist lustig macht, indem er seine Bewegungen imitiert: «Don Juan s'en moque et imite tous les mouvements du spectre.» Diese drastische Verspottungsszene leitet unmittelbar zum Finale über mit dem Tanz der Furien und Don Juans Höllenfahrt.
Es fehlt die Einladung des Geistes zum Grabmal, der zweite Auftritt und die zweite Flucht der Gäste, Don Juans Szene mit dem Diener und der dramatische Dialog zwischen dem mahnenden Geist des Kommandeurs und dem verstockten Don Juan. Diese Auslassungen – und hier stimmen die Aufzeichnungen des Grafen mit denen Gumpenhubers überein, indem sie nämlich nur zwei Teile des getanzten Dramas und nur zwei männliche Hauptdarsteller nennen - vermitteln somit den Eindruck, dass Angiolini die im Programm niedergelegten Intentionen zum Zeitpunkt der Premiere nicht realisieren konnte.
Nichtsdestotrotz muss Don Juan selbst in dieser kurzen Version erfolgreich gewesen sein: Das Ballett wurde während der nächsten sechs Wochen zehn mal gegeben, was Angiolini die Zeit und die Möglichkeit gab, über einige notwendige Verbesserungen nachzudenken. Glücklicherweise informieren uns Gumpenhubers Aufzeichnungen unter dem Datum des 2. Februar 1762 über Angiolinis Versuche, das Ballett mit Besetzungsänderungen zu probieren. Der wichtigste Wechsel betraf die Rolle des Kommandeurs: Der Danseur noble Pierre Bodin wurde durch den Charakterdarsteller Turchi cadet (vermutlich Vincenzo Turchi) ersetzt. Der Theatromane Graf Zinzendorf, der das Ballett am 8. Februar 1762 erneut sah, vermerkt in seinem Tagebuch eine erstaunlich andersartige Präsentation der dramatischen Dialogszene zwischen dem Geist des Kommandanten und Don Juan zu Beginn des dritten Aktes, die offensichtlich die Verspottungsszene der Premiere ersetzt hatte. Doch auch nach dieser Veränderung scheint Angiolini seine Experimente mit dem Don Juan-BalIett fortgesetzt zu haben, wie man aus Gumpenhubers Repertoire ersehen kann. Im April 1763 berichtet dieser, dass Angiolini spätestens bis zu diesem Zeitpunkt den Diener, den «domestique» und somit den dritten Protagonisten der Ballettpantomime eingeführt haben muss. Diese hatte damit ihre endgültige Form erlangt und war nun mehr oder weniger in Übereinstimmung mit Angiolinis im gedruckten Programm von 1761 festgelegten Intentionen.
Es gibt keinerlei Nachweis dafür, ob Angiolini oder Gluck jemals ihr erfolgreiches Ballett nach dem 4. Oktober 1763, als es noch ein letztes Mal anlässlich einer Gala-Vorstellung im Schloss Schönbrunn aufgeführt wurde, überarbeitet haben. Die europaweite Rezeption und die diversen Revisionen und Umarbeitungen durch andere begannen jedoch spätestens ab Mitte der 1760er-Jahre, insbesondere in Italien und Deutschland, später in England und Skandinavien und sogar in Spanien und Portugal.

Man hat sich wiederholt die Frage gestellt, ob Gluck möglicherweise zunächst eine größere Zahl von Tanzsätzen komponiert haben könnte, aus der Angiolini genau jene Sätze auswählte, die ihm für seine dramatische Pantomime passend schienen. Für die sehr eingeschränkte Aktion des gedruckten Originalszenars wurde lediglich Musik für eine etwa zwanzigminütige Dauer benötigt, was geradezu perfekt mit der Kurzfassung übereinstimmt – und es scheint (wie wir eingangs sahen), dass Angiolini bei der Premiere am 17. Oktober 1761, als er noch mit der ungewohnt neuen pantomimischen Sprache zu kämpfen hatte, nicht einmal alle diese 15 Nummern verwendete. Doch es steht außer Frage, dass die Handlung des Balletts, wenn der dramatische Darstellungsmodus strikt gehandhabt wurde, in der kürzest möglichen Zeit ablaufen musste, ganz so wie Angiolini dies 1765, also vier Jahre nach Don Juan, in seiner Dissertation für sein tragisches Ballett Semiramis festgestellt hatte: «L'art du geste qui abrève merveilleusement les discours, qui par un seule signe expressive supplée souvent à un nombre considérable de paroles, reserre lui-même par sa nature la durée de I'action pantomime.»

Doch in den folgenden zwei Jahren scheint sich diese Kurzfassung konsolidiert zu haben, wie wir aus einigen jener musikalischen Quellen entnehmen können, die Szenenanweisungen enthalten, die sich mit dem Text des originalen Librettoszenars decken. Später jedoch führten Adaptionen des Balletts, die von diversen Choreographen in Italien und Deutschland durchgeführt wurden, zu einer Erweiterung der originalen Handlung. Diese Erweiterungen machten naturgemäß auch eine Vermehrung von Glucks originaler Musik von 1767, also der Kurzfassung, erforderlich. Dies wird besonders anhand der Langfassung ersichtlich, die sich heute in Parma befindet und aus der sehr klar hervorgeht, dass man hier Stücke der Kurzfassung verlängert und einige neue Stücke hinzugefügt hatte. Wenn wir nun die bekannte Langfassung unter diesem Gesichtspunkt betrachten, müssen wir die Frage stellen, ob diese Fassung, die Glucks Namen trägt, nicht auch Stücke enthalten könnte, die nicht von Gluck stammen, sondern von anderen Komponisten beigetragen wurden, solche Stücke nämlich, die von den Choreographen für ihre Zwecke benötigt wurden - derartige Hinzufügungen waren zu Zeiten Glucks und Angiolinis gängige Theaterpraxis. Somit bestünde die übliche Langfassung aus der Kurzfassung von 1761 und zusätzlichen siebzehn Sätzen, die zumindest teilweise von anderen Komponisten stammen könnten. Folgende Indizien sollen diese Hypothese stützen:
Es war bereits bekannt, dass zwei Sätze der Langfassung (Nr. 15 und 20) vollständig ident sind mit zwei Sätzen aus Joseph Starzers Ballettmusik für Noverres Ballett Adèle de Ponthieu (Wien 1773). Musikwissenschaftler wie etwa Richard Engländer, der Herausgeber der Langfassung in der Gluck-Gesamtausgabe (Bd. II/1), hatten gefolgert, dass Starzer diese Sätze Glucks Don Juan entnommen haben könnte und haben deshalb die Langfassung auf eine Zeit vor 1773 datiert. Doch könnte es nicht genau gegenteilig gewesen sein, insbesondere wenn wir an Starzers ausgezeichnete Ballettmusik denken, die manchmal sogar Mozart zu einigen seiner Instrumentalwerke anregte? Doch hier gibt es noch ein weiteres Indiz: Die erweiterten musikalischen Fassungen, wie die Parma-Version, aber auch Galeottis Adaption für das Kopenhagener Ballett verwenden ausschließlich Sätze aus der Kurzfassung und niemals aus der Langfassung. Schließlich mag als stärkstes Argument das folgende Faktum gelten, dass nämlich Gluck, der bekanntlich für spätere Kompositionen oft Musik früherer Werke verwendete, im Falle des Don Juan-Balletts nur Musik der Kurzfassung, die wir nun wohl als die Originalfassung betrachten sollten, verwendete, etwa für seine Opern Iphigénie en Aulide und für den Pariser Orphée (beide 1774, für die französische Version von Cythère assiégée (1775) und für Armide (1777), wie dies Klaus Hortschansky klar in seiner umfassenden Studie zu Glucks Selbstentlehnungen festgestellt hat. Vielleicht werden sich in näherer Zukunft einige der Rätsel um die bekannte Langfassung lösen lassen, möglicherweise auch mit Hilfe des Datenbankprojektes, das 2003-2006 an der Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft / Derra de Motoda Dance Archives an der Universität Salzburg durchgeführt wurde und das mehr als 220 Ballette aus der Zeit der Wiener Klassik, von Komponisten wie Joseph Starzer, Franz Aspelmayer und Florian Deller u.a. umfasst.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint es aber eher klar zu sein, dass die aus 15 (oder 13) Sätzen bestehende Kurzfassung des Don Juan-Balletts als Glucks Originalversion der Ballettmusik betrachtet werden sollte, als die einzige Version, die mit Angiolinis Librettoszenar von 1761 übereinstimmt. In dieser Form ist Don Juan nun dabei, wiederum das Konzertpodium zu betreten und - so ist zu hoffen - bald auch die Bühne.

«La musique est essentielle aux Pantomimes; c'est elle qui parle, nous faisons que les gestes», in: G. Angiolini, Le Festin de Pierre. Ballet pantomime, Wien: Trattner 1761, S. 14.
Für detailliertere Informationen siehe B. A. Brown, Gluck and the French Theatre in Vienna, Oxford 1991.
C. W. Gluck, Don Juan. Pantomimisches Ballett, hrsg. von R. Haas (Denkmäler der Tonkunst in Österreich 30/2, Bd. 60), Wien 1923. C. W. Gluck, Don Juan / Semiramis. Ballets Pantomimes, hrsg. von R. Engländer (GGA II/1), Kassel etc. 1966.
Staatsbibliothek Berlin (Mus. Ms. 7827).
Diese finden sich in Brüssel (Bibliothèque Royale), München (Bayerische Staatsbibliothek) und Dresden (Sächsische Landesbibliothek).
Zu weiteten Details zu den Quellen sei auf die in Vorbereitung befindliche Edition dieser Version in der Gluck-Gesamtausgabe verwiesen (GGA II/2).
Um nur einige zu nennen: Tirso de Molina, El Burlador de Sevilla y Combidado di Pietra, Madrid 1630; G. A. Cicognini, Il Convitato di Pietra, Florenz und Pisa 1632; Molière, Dom Juan, Paris 1665; T. Shadwell, The Libertine Destroyed, London 1676; C. Goldoni, Don Juan Tenorio o sia Il Dissoluto Punito, Venedig 1736.
Gumpenhubers Repertoire, das die Spielzeiten 1758-63 umfasst (ausgenommen das Jahr 1760) befindet sich heute teilweise in der Harvard Theatre Collection, teilweise in der Musiksammlung der Wiener Nationalbibliothek. Eine kommentierte kritische Ausgabe wird derzeit an der Gluck-Arbeitsstelle der Abteilung Musik und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg zum Druck vorbereitet.
Die Tagebücher des Grafen Karl Zinzendorf umfassen die Jahre 1752-1813 (56 Bände); sie befinden sich im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Ihre Publikation wird seit 1999 im Rahmen eines Internationalen Forschungsprojektes an der Universität Graz vorbereitet. Es gibt überdies eine kommentierte Edition der Jugendtagebücher des Grafen: Karl Graf Zinzendorf, Aus den Jugendtagebüchern (1752-1763), hrsg. von M. Breunlich / M. Mader, Wien 1997.
10 K. Zinzendorf, Die Jugendtagebücher, S. 239ff.
11 Die Kunst der Gestik, die den Dialog auf wunderbare Weise abkürzt und oft durch ein einziges ausdrucksvolles Zeichen eine beträchtliche Zahl von Worten ersetzt, verkürzt durch ihre spezielle Eigenart [Natur] die Dauer der pantomimischen Aktion. G. Angiolini, Dissertation sur les Ballets Pantomimes des Anciens publiée pour servir de Programme au Ballet de Semiramis, Wien 1765, B5. Die Kurzversion umfasst die folgenden Nummern der bekannten Langfassung: 1, 2, 5, 18, 19, 21-26, 30, 31. Zum Vergleich der beiden Versionen siehe die Übersicht im Anhang.
12 Bei diesen Quellen handelt es sich um eine Partitur in der Staatsbibliothek Regensburg, einen Stimmensatz in der Universitätsbibliothek Münster, sowie das sogenannte Pariser Szenar in der Bibliothèque du Conservatoire Paris und in der Staatsbibliothek Berlin. Diese Szenenanweisungen wurden in die in Vorbereitung befindliche kritische Ausgabe des Don Juan eingefügt.
13 K. Hortschansky, Parodie und Entlehnung im Schaffen Christoph Willibald Glucks (Analecta Musicologica 13), Köln 1973, S. 298.
14 Das Datenbankprojekt Ballettmusik im Kontext der Wiener Klassik an der Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft der Paris-Lodron-Universität Salzburg (Derra de Moroda Dance Archives – Mitarbeit: Irene Brandenburg und Michael Malkiewicz, Leitung: Sibylle Dahms) wurde mit Mitteln des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung durchgeführt. Es enthält Inzipits aller Sätze der einzelnen Ballette sowie viele weitere Angaben, wie etwa zu Tänzern, Choreographen, Librettoszenaren, Bühnenausstattung.
15 Die Kurz- oder Originalfassung wurde bereits während des Klangbogen-Festivals 2006 in Wien (Theater an der Wien) unter der Leitung von Heinrich Schiff aufgeführt, ebenso von Marc Minkowski mit den Musiciens du Louvre auf einer Europa-Konzerttour im Dezember 2006 sowie bei der Mozartwoche Salzburg 2008. Der Bärenreiter-Verlag hat entsprechendes Aufführungsmaterial hergestellt. Die Partitur, die von der Autorin zum Druck vorbereitet wurde, wird zusammen mit Glucks und Angiolinis Ballett Alexandre et Rosane, hrsg. von I. Brandenburg, als Bd. II/2 der GGA 2010 erscheinen.

VOL. 1 _LA PASSIONE

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

Download

zum Projekt
zum Shop

Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 49 in f-Moll, Hob. I:49 «La Passione» (1768)
Adagio / Allegro di molto / Menuet. Trio / Finale: Presto

49

SINFONIE NR. 49 F-MOLL «LA PASSIONE» HOB. I:49 (1768)

Besetzung: 2 Ob, 2 Hr, Str
Entstehungsjahr: 1768

Adagio / Allegro di molto / Menuet. Trio / Finale: Presto

Die Sinfonie in f-Moll ist die einzige des Auftaktprojekts zu Haydn 2032, von der sich das Autograph erhalten hat. Dieses wird in der Stockholmer Musik- und Theaterbibliothek (vormals Bibliothek der Königlichen Musikakademie) verwahrt und trägt die von Haydn stammende Jahreszahl (1)768. Folglich zählt das Werk zu den ersten Sinfonien, die Haydn nach einer etwa anderthalbjährigen Unterbrechung geschrieben hatte, welche sich vermutlich darin begründet, dass er nach dem Tod Georg Joseph Werners auf den Posten des ersten esterházyschen Kapellmeisters vorgerückt war und sich mit seinem Schaffen zunächst auf die ihm bislang vorenthaltene Kirchenmusik konzentrierte.
Gemeinhin unter dem Beinamen «La Passione» bekannt, wird dieser mittlerweile aber als nicht authentisch eingestuft, findet er sich – was die überlieferten musikalischen Quellen betrifft – doch nur in einer, aus Sicht des Haydn'schen Urtexts in geographischer, zeitlicher wie stemmatologischer Hinsicht doch sehr entfernt gelegenen Stimmenabschrift wieder, die um 1790 über einen Leipziger Musikalienhändler ins mecklenburgische Schwerin gelangt war. Dort wiederum soll es eine seit langer Zeit bestehende Tradition von in der Karwoche aufgeführten Passionsoratorien gegeben haben und zwischen 1756 und 1785 sogar alles Weltliche aus dem öffentlichen Musikleben verbannt worden sein.
Von einer sich gleichfalls auf Leipzig beziehenden Begebenheit, ein im Frühjahr 1811 aufgeführtes «Concert zum Besten der hiesigen Armenanstalten» berichtet die «Allgemeine musikalische Zeitung», dass es «durch die Haydnsche Symphonie aus F moll (La Passione) eröffnet» wurde, die «bekanntlich aus seiner frühern Zeit und auf einen besondern, ihn tief verwundenden Trauerfall unter den Seinen geschrieben worden» sei.

Leider können wir, wie bei den meisten der frühen bis mittleren Sinfonien Joseph Haydns wie auch im Fall der vermeintlichen Passionssinfonie über den konkreten Anlass nur mehr oder weniger vage Vermutungen anstellen. Den Erkenntnissen der an der New Yorker Columbia University lehrenden Elaine Sisman zufolge scheint allerdings eines gewiss zu sein:
Die f-Moll-Sinfonie gelangte (wenngleich wohl Jahre nachdem sie zum ersten mal erklungen war) zu einer Wiedergeburt der ganz anderen Art, und zwar in Form musikalischer Zwischenspiele inmitten einer Produktion zeitgenössischen Sprechtheaters.
Ausgangspunkt für jene Begenheit dürfte die aus Zeitungsberichten wie Theaterjournalen bekannt gewordene Zusammenarbeit Joseph Haydns mit der gefeierten Schauspieltruppe des Karl Wahr gewesen sein. Zwischen 1772 und 1776 war diese alljährlich mit Gastspielen auf Schloss Esterháza zu erleben, wobei es nach Der Zerstreute (1774), einer ins Deutsche übersetzten Fassung des französischen Bühnenklassikers Le Distrait von Jean-François Regnard, von der sich die später zur Sinfonie Nr. 60 («Il distratto») deklarierte sechssätzige Originalmusik erhalten hat, zu einer ganzen Reihe weiterer Kooperationen gekommen sein soll.
Neben Shakespeares Hamlet und Goethes Götz von Berlichingen, von denen es heißt, dass auch hierzu Musik von Haydn erklungen sei oder zumindest erklingen hätte sollen, war da ein Schauspiel des französischen Dichters und Moralisten Sébastien-Roch Nicolas de Chamfort (1740–1794), ein Einakter mit Name La jeune Indienne, welcher am 8. Januar 1776 unter dem Titel Die junge Indianerin nachweislich in Salzburg zur Aufführung kam und infolge auch mit größter Wahrscheinlichkeit am Hof der Esterházys gespielt wurde, aber nicht nur das ... In einer um 1780 zusammengetragenen und im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien befindlichen Sammlung von diversem Aufführungsmaterial zu Hob I:49, steht auf dem Titelblatt einer instrumentalen Bass-Stimme zu lesen: «nel suo antusiasmo [sic] il Quakuo [recte: quaquero] di bel'humore» – «in seinem Eifer, der gutherzige Quäker». Angesichts der im auffällig schnell voranschreitenden, alsbald auch Wien erreichenden Popularität des französischen Einakters, der auch unter dem Alternativtitel «Der Quäker» zur Aufführung kam, kann es sich hier nur um ein und dasselbe Werk gehandelt haben.

Der literarischen Gattung der Comédie larmoyante (zu deutsch «rührende Komödie», «rührendes Lustspiel» oder einfach Rührstück genannt) zugehörig, durfte sich Die junge Indianerin sowohl der Bewunderung Voltaires als auch eines Jean-Jacques Rousseau rühmen und das nicht zuletzt auch deshalb, weil darin das in der Aufklärung so allseits beliebte Motiv der «Edlen Wilden» verwoben war: Das Leben des reisenden Belton wird nach erlittenem Schiffsbruch von einer Indianerin und ihrem greisen Vater, welche die einsame (vermutlich westindische) Insel bewohnen an dessen Strand ihn der Sturm gespült hatte, gerettet. Im Laufe der Zeit, die er zusammen mit der jungen Frau – er nennt sie Betti – verbringt, verlieben sich beide ineinander. Als der alte Indianer stirbt und Belton sich in Sorge seines eigenen Vaters erinnert, gegen dessen Willen er einst auf Reisen zog, überredet er Betti sich mit ihm und ungeachtet aller Gefahren ins ferne Charlestown, den Ort, wo seine Reise einst ihren Ausgang nahm, zu begeben. Dort angekommen wird Belton sogleich von einer noch viel größeren Sorge geplagt – war es doch seinerzeit der Wille des Vaters gewesen, er möge sich mit Arabelle, der Tochter des dort seine Geschäfte betreibenden Quäkers Mowbrai verheiraten. Natürlich hat selbiger über die Jahre hinweg weder Belton noch die Vereinbarung mit dessen Vater vergessen und als er in Beltons Begleitung voller Erstaunen und Neugierde «das liebe Kind, in der Kleidung einer Wilden, mit den fliegenden Haaren» entdeckt, liegt die Katastrophe bereits in der Luft.
Nachdem Belton daran scheitert sich und die Situation, in die er sie beide manövriert hat, zu erklären und Betti schließlich also aus dem Mund des Quäkers von den ihre Liebe missachtenden Heiratsplänen erfährt, bricht das Bild jener von Geld und Gesetzen beherrschten Gesellschaft in welche sie geraten ist, endgültig zusammen, worauf sie ihren Gefühlen unverstellten Ausdruck verleiht. Mowbrai, sichtlich bewegt durch Bettis leidenschaftliche Rede, sowie vom «rührenden Schauspiel» des seine Liebe nun vor allen Anwesenden offen bezeugenden Belton, lässt augenblicklich den Notar rufen und in den bereits aufgesetzten, seiner eigenen Tochter zugedachten Ehekontrakt kurzerhand den Namen der Indianerin eintragen. Als jener nach der Mitgift der Braut fragt, erhält er Anweisung «Ihre Tugenden» einzusetzen.

Wie aber lässt sich die neu geschaffene Einheit der Verse Chamforts und Haydns Musik in Worte fassen? Eine Frage mit der sich die Haydn-Forschung, wenn überhaupt, nur ganz am Rande beschäftigt hat. Sogar Sisman, die etwa vom Allegro di molto befindet, dass dessen im Seitenthema anzutreffende «rapid-fire repeated notes and imitations» eine Unbeschwertheit zum Ausdruck bringen, die jene Tragik widerlegen, welche wir gewöhnlich mit Molltonarten in Verbindung bringen, scheint ihren Chamfort nicht wirklich gelesen zu haben. Vielmehr scheint sie sich mit dem Gedanken an jenes eigentümliche Verhalten des Quäkers zu begnügen, welches im Schauspiel zwar die Wende zum Guten herbeiführt, dort aber, dem üblichen, dramatischen Verlauf entsprechend, erst kurz vor dessen Ende zum Vorschein gerät.
Was jenem Moment an Emotionalem, vom Ausdruck der Liebe und Zärtlichkeit bis hin zu Wut und Verzweiflung vorausgegangen war – all dies spiegelt sich nicht nur in den Sätzen der f-Moll-Sinfonie wider, sondern erfährt durch selbige gar eine weitere, in die Tiefe reichende Dimension des Anrührenden: Wie sich die von den Schauspielern zum Ausdruck gebrachten Affekte bis hin zum Moment der Konfliktlösung am Ende der achten von insg. zehn Szenen in einem Stimmungsbild voll innerer Bezüge widerspiegeln – zieht sich durch die vier Sätze der Sinfonie auch ein und dieselbe Grundstimmung. (Michael Walter schreibt treffenderweise, obwohl ihm die Beziehung zur (Vor)geschichte des Quakuo di bel'humore «nicht erklärbar» erscheint, von einer «Darstellung subjektiver Varianten des gleichen emotionalen Zustands [...], den die Hörer bei der Wahrnehmung der Sinfonie erfahren.»)
Selbige Stimmung, die u.a. mit «dramatisch, nicht religiös» (Ludwig Finscher), «geprägt von [...] Ernst [und] Düsterheit» (Walter Lessing) bzw. «driven by [...] emotional and spiritual force» (H. C. Robbins Landon) umschrieben wurde, verdichtet sich in der Tonfolge c-des-b mit der ein jeder Satz in stets verschiedener Rhythmisierung seinen Anfang nimmt.

Von jener tiefgreifenden Melancholie des anfänglichen Adagios, aus der eine mit gehörigem Pathos vorgetragene Melodie der 1. Violinen hervortritt, um (nach allmählich verstummenden Seufzerfiguren und absteigender Basslinie) inmitten eines zweiten Themas im pianissimo zu höchster Tonlage aufzusteigen und augenblicklich über zwei Oktaven ins fortissimo hinabzustürzen, ist auch der Monolog des Belton im zweiten Auftritt der Jungen Indianerin erfüllt. In einer der Musik entsprechenden, gemütvollen, letztendlich aber dem Selbstmitleid verfallenden Rede, bereut er seinen Entschluss nicht mit Betti in jenen «schrecklichen Gegenden» am «Ende der Welt» geblieben zu sein, «da eins durch des andern Glück vergnügt und zufrieden und Verachtung nicht die Folge unsrer Armut war.»
Einen ungleich stärkeren Ausschlag auf der Skala der Gefühlsregungen bewirkt das an zweiter Stelle im Satzgefüge stehende Allegro di molto, welches – so A. Peter Brown – einem «musical earthquake» gleiche. Dem zu Sprüngen von über zwei Oktaven ansetzenden Violinmotiv, welches sich in synkopischer Verengung und anschließendem Rede- und Antwortspiel zwischen den hohen und tiefe(re)n Streichern fortspinnt, folgt nach einem plötzlichen Bewegungsstopp ein die entbrannten Leidenschaften vorübergehend zügelndes, sich leise dahinschlängelndes Vorhaltsspiel der Streichergruppe, bevor mit einem weiteren Forte-Ausbruch und dem gesamten Orchester das stürmische Anfangstempo mit seiner unruhig pulsierenden Achtelbewegung wieder aufgenommen wird. Auch wenn ein den vorausgehenden Urgewalten zur Seite gestelltes «leichtherziges» Thema für weitere kurze Entspannung sorgt, lassen die folgenden, das bisherige Geschehen verarbeitenden bzw. wiederaufgreifenden Formabschnitte, so etwa die ohne jegliche Überleitung einsetzende Reprise, die ganze Dramatik des Allegro di molto nochmals auf ein Höchstmaß ansteigen. Als Pendant zu diesem an Emotionen geradezu überkochenden Instrumentalsatz könnte man ohne weiteres das Ende jenes in Szene 4 geführten Streitgesprächs zwischen Betti und Belton über die Bedeutung materiellen Reichtums erkennen, welches in einem von düsteren Farben geprägten Bild, in dem Belton beider gemeinsame Zukunft («ohne Beistand, ohne Güter») sieht, seinen Ausgang findet: «Wir werden die Liebe hassen, das Alter fürchten. Täglich werden wir uns, in den unglücklichen Früchten unsrer Liebe selbst erblicken, und unsre eigne Hände werden sie von uns stoßen.»
Die Ankunft einer weiteren Person unterbricht die Unterredung des Paares. Betti wird weggeschickt, worauf Mylford – so der Name des Neuankömmlings – seinem Freunde Belton die Zusage Arabellens auf die zwischen den Vätern vor nunmehr sechs Jahren vereinbarte Eheschließung zu übermitteln gedenkt. In Belton entbrennt ein innerer Kampf: Gegen die durch des Freundes Nachricht gestiegene Furcht, sein Festhalten an Betti könnte ihm Wohlstand und Platz in der Gesellschaft kosten, vermag sich schlussendlich nur der Wunsch zu behaupten seine indianische Geliebte nicht ins seelische Unglück zu stürzen. Während Belton noch mit sich ringt, sieht er die Geliebte sich nähern.
Wie sichs in des Rührstücks sechster Szene zuträgt, so klingts auch in der Musik – als wenn sie dafür erfunden wär: Ein schwermütig-ernstes Charaktermenuett, reich an Harmonik und chromatischen Wendungen da nebst dem allanfäglichen Grundgedanken auch die Seufzer und Melodiesprünge der vorigen Sätze wiederkehren.
Allein das Trio sorgt für einen lichten, fast heiteren Moment – dem einzigen der Sinfonie sogar – aus dem sich ein Hornsolo bis in die höchsten Höhen (genauer gesagt bis zum f'') erhebt – wie ein Ruf der eben zurückkehrenden Betti, die sich dem in finsteren Gedanken verlorenen Belfort nähert. Als vergleichsweise schwierig erwies es sich, das entsprechende, in Verse gegossene Gegenstück zum Finalsatz von Hob I:49 zu finden – nicht nur weil in einem Einakter logischerweise keine (wie Johann Adolf Scheibe sie einst benannte) «Symphonien [...] zwischen den Aufzügen» vorkommen können, sondern nur Szenen (oder Auftritte, wie man sie seinerzeit nannte), von denen manch einer das dramatische Geschehen weiter vorantreibt als der oder die benachbarten vermögen. Mitunter dürfte es aber auch ein Monolog inmitten der Szene gewesen sein, der einen Tonschöpfer wie Haydn zu einem dramatischen Satzgebilde inspirierte (oder einen Karl Wahr zu der Entscheidung brachte, gerade hier an dieser Stelle eine entsprechend geartete Musiknummer einzubauen).
Belforts Befürchtungen, der Quäker Mowbrai könnte durch das Preisgeben der Heiratspläne für seine Tochter, dem wildgekleideten Kind «das Herz durchbohren», sind tatsächlich eingetroffen: Mit einem Mal erfährt sie, was hier gespielt wird. Ihr Entsetzen wie die Schärfe der Worte, die selbiges zum Ausdruck bringen, kennen natürlich kein Halten mehr: Wie es der Indianerin obgleich der Unglaublichkeiten, die sie vernehmen muss, beinahe die Sprache verschlägt, so atemlos und von Pausen zersetzt kommt das Thema des Presto-Finale mit seiner schroffen Dynamik und Artikulation daher. Die fast unablässige Viertelbewegung der Bassstimme erklärt sich durch die inner- wie äußerlich gezeigte Erregtheit der sich zu guter Recht betrogen fühlenden Betti. Wenn dann im Seitengedanken mit seinen tremolierenden Achtelpassagen noch einmal der Bewegungsimpuls erhöht wird und auch die Intervallsprünge des Allegro di molto – hier wohl für den kämpferischen Geist der jungen Frau stehend – noch ein weiteres Mal hörbar werden, so kann man sich gut vorstellen, dass deren Persönlichkeit einst einfach zu stark und leidenschaftlich erschien, als dass man sie und nicht die Nebenfigur des Quäkers auf das Titelblatt der Wiener Stimmenabschrift von Hob. I:49 gesetzt hätte.

Über den gleichen Händler mit Namen Christian Gottfried Thomas (wie ihn das vorgedruckte Titelblatt in italienisierter Schreibweise aufzeigt) gelangten – neben einer Parodie des Stabat mater Hob. XX:bis von Johann Adam Hiller – noch weiteres Stimmenmaterial Haydnscher Sinfonien (Nr. 26 «Lamentatione» und 38) nach Schwerin.
Elaine R. Sisman, Haydn's Theater Symphonies, in: Journal of the American Musicological Society 43 (1990), S. 292-352.
Siehe u.a.: Preßburger Zeitung 54, 6. Juli 1774, zitiert nach: Marianne Pandi und Fritz Schmidt, «Musik zur Zeit Haydns und Beethovens in der Preßburger Zeitung», The Haydn Yearbook / Das Haydn Jahrbuch 8 (1971), S. 170.
Rudolph Angermüller, Haydns «Der Zerstreute» in Salzburg (1776), in: Haydn-Studien 4/2 (1978), S. 89.
Nach der Pariser UA vom 30. April 1764, war es bereits 1765 dank eines lokalen Libretto-Drucks zu ersten privat veranstalteten Darbietungen in der Kaiserstadt gekommen, worauf 1769 eine Produktion am Kärntnertortheater folgen sollte, an der u.a. auch Gottlieb Stephanie der Jüngere, der spätere Librettist von Mozarts Entführung aus dem Serail, teilnehmen sollte.
Der Ausdruck «rührende Komödie» wurde (vor allem im 18. Jahrhundert) für moralistische, dem bürgerlichen Trauerspiel nahestehende Stücke verwendet, in denen die Rührung, welche sich auf Seiten des Publikums bzw. ihrer Leserschaft einstellen sollte, nicht zum Selbstzweck wird und der Ausgang von zumeist glücklicher Natur ist. Der Begriff für jene Gattung, die sich in der Theaterpraxis aufgrund ihres Publikumserfolgs durchsetzt, ist Rührstück. Oft haben Rührstücke, wie auch im Falle der jungen Indianerin, keine komödiantischen Elemente mehr, sondern werden nur aufgrund der sozialen Zusammensetzung ihrer Figuren und ihres Publikums in der Terminologie des 18. Jahrhunderts noch als Komödien klassifiziert.
Gemeint ist das heutige Charleston, South Carolina, wo einst 1794 die im Exil befindliche Comédie-Française La jeune Indienne am Originalschauplatz zur Aufführung gebracht wurde.
Sisman, Haydn's Theater Symphonies, S. 336.
Michael Walter, Haydns Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer, München 2007, S. 47f.
10 Ludwig Finscher, Joseph Haydn und seine Zeit, Laaber 2000, S. 267.
11 Walter Lessing, Die Sinfonien von Joseph Haydn, Band II, Baden-Baden, 1987-89, S. 19.
12 H. C. Robbins Landon, The Symphonies of Joseph Haydn, London 1955, S. 297.
13 A. Peter Brown, The Symphonic Repertoire Vol. II. The First Golden Age of the Viennese Symphony: Haydn, Mozart, Beethoven, and Schubert, Bloomington 2002, S. 114.
14 Zit. nach Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, Bd. 1, Hamburg u.a. 1767, 26. Stück, S. 202.

VOL. 1 _LA PASSIONE

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico

Download

zum Projekt
zum Shop

Besetzung

Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini,
Dirigent

  • Besetzungsliste Orchester

    1. Violinen _Stefano Barneschi*, Fabrizio Haim Cipriani, Ayako Matsunaga, Liana Mosca
    2. Violinen _Marco Bianchi*, Francesco Colletti, Judith Huber, Maria Cristina Vasi
    Violen _Renato Burchese*, Carlo De Martini
    Celli _Paolo Beschi*, Elena Russo
    Kontrabässe _Giancarlo De Frenza* Stefan Preyer
    Hörner _Christian Binde*, Edward Deskur, Stefan Blonk, Martin Lawrence
    Oboen _Emiliano Rodolfi*, Josep Domenech
    Fagott _Alberto Guerra
    Cembalo _Riccardo Doni

Vergangene Konzerte

Berlin
Samstag, 21.06.2014, 19.00 Uhr

Radiale Nacht Haydn2032
«La Passione» im Radialsystem V, Berlin

Zürich
Freitag, 07.11.2014, 11.45 Uhr

Haydn-Lounge in der Tonhalle Zürich
«20 Jahre Hochuli Konzerte»

Eisenstadt
Samstag, 08.11.2014, 19.30 Uhr

Haydn-Nacht im Schloss Esterházy, Haydnsaal, Eisenstadt

Basel
Sonntag, 09.11.2014, 19.00 Uhr

Haydn-Nacht in der Martinskirche, Basel

Haydn-Nächte in der Martinskirche Basel und im Schloss Esterházy in Eisenstadt und eine Haydn-Lounge in der Tonhalle Zürich. Die erste Tournee «La Passione» greift das Thema «Leidenschaft» auf und bettet Haydns Musik in innovative und genreübergreifende Konzertformate. Die musikalischen Darbietungen werden von literarischen Annäherungen, Werkgesprächen, kulinarischen Genüssen und fotografischen Beiträgen der Fotoagentur Magnum Photos ergänzt. Man darf auf besonders atmosphärische und sinnesfrohe Musikerlebnisse gespannt sein.

Biografien

Il Giardino Armonico
Orchester

Il Giardino Armonico

Orchester

Il Giardino Armonico, unter der Leitung von Giovanni Antonini, wurde 1985 gegründet und hat sich als eines der weltweit führenden Ensembles mit Spezialisierung auf historische Instrumente etabliert. Das Ensemble besteht aus Musikerinnen und Musikern aus den bedeutenden Musikinstituten Europas. Sein Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf das 17. und 18. Jahrhundert. Je nach Bedarf des jeweiligen Programms besteht die Gruppe aus sechs bis dreißig Musikerinnen und Musikern.

Das Ensemble wird regelmäßig zu Festivals auf der ganzen Welt eingeladen und tritt in den bekanntesten Konzerthallen auf. Große Anerkennung erfährt es dabei sowohl für seine Konzerte als auch für seine Opernproduktionen, z. B. Monteverdis „L’Orfeo“, Vivaldis „Ottone in Villa“, Händels „Agrippina“, „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“, „La Resurrezione“ und „Giulio Cesare in Egitto“ mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen 2012.

Darüber hinaus ist Il Giardino Armonico stets intensiv mit Aufnahmen beschäftigt. Viele Jahre war das Ensemble exklusiv bei Teldec unter Vertrag und erhielt mehrere bedeutende Auszeichnungen für seine Aufnahmen von Werken von Vivaldi und den anderen Komponisten des 18. Jahrhunderts. Es folgte ein Exklusivvertrag mit Decca/L’Oiseau-Lyre für die Aufnahme von Händels Concerti Grossi op. 6 und die Kantate „Il Pianto di Maria“ mit Bernarda Fink. Bei Naïve brachte Il Giardino Armonico zudem „La Casa del Diavolo“, Vivaldis Cellokonzerte mit Christophe Coin, sowie die Oper „Ottone in Villa“ heraus, die 2011 mit dem Diapason d'Or ausgezeichnet wurde. Für das Label Onyx nahm es Vivaldis Violinkonzerte mit Viktoria Mullova auf.

Nach dem großen Erfolg und der Grammy-Auszeichnung für „The Vivaldi Album“ mit Cecilia Bartoli (Decca, 2000) führte eine erneute Zusammenarbeit mit ihr 2009 zu dem Projekt „Sacrificium“ (Decca), ein Platin-Album in Frankreich und Belgien, das einen weiteren Grammy erhielt. Produkt des jüngsten Projekts mit Cecilia Bartoli ist das Album „Farinelli“ (Decca, 2019).
Ebenfalls bei Decca brachte Il Giardino Armonico „Alleluia“ (2013) und „Händel in Italy“ (2015) mit Julia Lezhneva heraus – beide Werke wurden von Öffentlichkeit und Kritikern gepriesen.

In einer Koproduktion mit dem Nationalen Forum für Musik in Breslau (Polen) veröffentlichte Il Giardino Armonico „Serpent & Fire“ mit Anna Prohaska (Alpha Classics – Outhere Music Group, 2016) und gewann 2017 den ICMA für Barockgesang. Es folgte die Telemann-Aufnahme auf CD und LP (Alpha Classics, 2016), die 2017 den Diapason d’Or de l'Année und den Echo Klassik erhielt.
Die Einspielung von fünf Violinkonzerten von Mozart mit Isabelle Faust (Harmonia Mundi, 2016) ist das Ergebnis der hochkarätigen Zusammenarbeit mit der großartigen Violinistin und wurde 2017 mit dem Gramophone Award und Le Choc de l'année ausgezeichnet.
Ein neues Vivaldi-Album, „Concerti per flauto“, ist erschienen (Alpha Classics, March 2020) und gewann den Diapason d’Or: eine prächtige Zusammenstellung aus diesem Repertoire mit Giovanni Antonini als Soloist, aufgenommen zwischen 2011 und 2017.

Il Giardino Armonico ist Teil des Projekts „Haydn2032“, zu dessen Zweck die Joseph Haydn Stiftung Basel gegründet wurde, um sowohl die Einspielung der gesamten Haydn-Sinfonien (Label: Alpha Classics) als auch Konzerte in verschiedenen europäischen Städten mit dem thematischen Schwerpunkt auf dessen Repertoire zu unterstützen. Das erste Album mit dem Titel „La Passione“ kam im November 2014 heraus und erhielt den Echo Klassik (2015). „Il Filosofo“, 2015 veröffentlicht, wurde mit dem „Choc of the Year“ von Classica ausgezeichnet. Das dritte Album, „Solo e Pensoso“, erschien im August 2016 und das vierte Album, „Il Distratto“, kam im März 2017 heraus und gewann im selben Jahr den Gramophone Award. Die achte Einspielung, La Roxolana, wurde im Januar 2020 veröffentlicht und die neunte Aufnahme, „L’Addio“, kam im Januar 2021 heraus und gewann den „Choc of the Year“ von Classica und den Diapason d’Or. Das zehnte Album, „Les Heures du Jour“, wurde im Juli 2021 herausgebracht und gewann im Oktober 2021 den Diapason d’Or.
Der Album-Zyklus wurde kürzlich um ein weiteres monumentales Werk des österreichischen Komponisten ergänzt: „Die Schöpfung“ mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks wurde im Oktober 2020 veröffentlicht.

Das Ensemble arbeitete ebenfalls mit renommierten Soloisten wie Giuliano Carmignola, Sol Gabetta, Katia und Marielle Labèque, Viktoria Mullova und Giovanni Sollima zusammen.
2018 setzte Il Giardino Armonico seine Zusammenarbeit mit der jungen und talentierten Violinistin Patricia Kopatchinskaja mit einem Programm voller schöpferischer Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft fort, das philologische Genauigkeit und zeitgenössische Musik verbindet: Das Album „What’s next Vivaldi?“ kam im Oktober 2020 bei Alpha Classics heraus und erhielt 2021 den Opus Klassik.
Zu den jüngsten Projekten zählen die Aufnahme von „La morte della Ragione“ (koproduziert mit dem Nationalen Forum für Musik in Breslau, herausgebracht von Alpha Classics und 2019 ausgezeichnet mit dem Diapason d’Or), ein Programm zur Förderung der Aufmerksamkeit für Barockmusik in Europa und die Suche nach einer Wiederbelebung des Hörerlebnisses früher Musik.

ilgiardinoarmonico.com

Giovanni Antonini
Dirigent

Giovanni Antonini

Dirigent

Der gebürtige Mailänder Giovanni Antonini studierte an der Civica Scuola di Musica und am Zentrum für alte Musik in Genf. Er ist Mitbegründer des Barockensembles Il Giardino Armonico, dessen Leitung er seit 1989 innehat. Mit dem Ensemble trat er als Dirigent und als Solist für Block-und Traversflöte in Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Südamerika, Australien, Japan und Malaysia auf. Er ist künstlerischer Leiter des Wratislavia Cantans Festival in Polen und Erster Gastdirigent des Mozarteum Orchesters und des Kammerorchesters Basel.
Antonini hat bereits mit vielen namhaften Künstlern zusammengearbeitet, darunter Cecilia Bartoli, Isabelle Faust, Viktoria Mullova, Giuliano Carmignola, Giovanni Sollima, Sol Gabetta, Sumi Jo, Emmanuel Pahud, Katia und Marielle Labèque sowie Kristian Bezuidenhout.
Dank seiner erfolgreichen Arbeit ist Antonini gefragter Gastdirigent bei vielen führenden Orchestern. So gastiert er etwa regelmässig bei den Berliner Philharmonikern, dem Concertgebouworkest Amsterdam, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Mozarteumorchester Salzburg, dem Leipziger Gewandhausorchester, dem London Symphony Orchestra, dem Chicago Symphony Orchestra und dem Kammerorchester Basel.
Zu seinen Opernproduktionen gehören Händels «Giulio Cesare» und Bellinis «Norma» mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen. Im Jahr 2018 dirigierte er «Orlando» am Theater an der Wien und kehrte für Idomeneo an das Opernhaus Zürich zurück. In der Saison 21/22 wird er als Gastdirigent das Konzerthausorchester Berlin, Stavanger Symphony, Anima Eterna Bruges und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dirigieren. Außerdem wird er Cavalieris Oper «Rappresentatione di Anima, et di Corpo» für das Theater an der Wien und eine Ballettproduktion von Haydns «Die Jahreszeiten» für das Wiener Staatsballett mit den Wiener Philharmonikern dirigieren. 

Mit Il Giardino Armonico hat Giovanni zahlreiche CDs mit Instrumentalwerken von Vivaldi, J.S. Bach (Brandenburgische Konzerte), Biber und Locke für Teldec aufgenommen. Mit Naïve nahm er Vivaldis Oper «Ottone in Villa» auf, und mit Il Giardino Armonico für Decca spielte er «Alleluia» mit Julia Lezhneva und «La morte della Ragione» ein, Sammlungen von Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts. Mit dem Kammerorchester Basel hat er die gesamten Beethoven-Sinfonien für Sony Classical aufgenommen und mit Emmanuel Pahud für Warner Classics eine CD mit Flötenkonzerten unter dem Titel «Revolution». Im Jahr 2013 dirigierte er eine Aufnahme von Bellinis «Norma» für Decca in Zusammenarbeit mit dem Orchestra La Scintilla.

Antonini ist künstlerischer Leiter des Projekts Haydn 2032, mit dem die Vision verwirklicht werden soll, bis zum 300. Jahrestag der Geburt des Komponisten sämtliche Sinfonien von Joseph Haydn aufzunehmen und mit Il Giardino Armonico und dem Kammerorchester Basel aufzuführen. Die ersten 12 Editionen sind beim Label Alpha Classics erschienen, jährlich sind zwei weitere Editionen geplant.

Aufnahmen


VOL. 1 _LA PASSIONE

CD

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico
Sinfonien Nr. 1, Nr. 39, Nr. 69
Christoph Willibald Gluck (1714–1787): Don Juan ou Le Festin de Pierre


Erhältlich über:
Bider&Tanner, Basel
Download / Stream

VOL. 1 _LA PASSIONE

Limitierte CD-Edition mit Buch (mit Download-Code CD)

Giovanni Antonini, Il Giardino Armonico
Sinfonien Nr. 1, Nr. 39, Nr. 69
Christoph Willibald Gluck (1714–1787): Don Juan ou Le Festin de Pierre
Essay "Leidenschaft" von Bernhard Lassahn


Erhältlich über:
Bider&Tanner, Basel
Joseph Haydn Stiftung, Basel

© Gueorgui Pinkhassov / Magnum Photos

Biografie

Gueorgui Pinkhassov
Fotograf, Magnum Photos

Gueorgui Pinkhassov

Fotograf, Magnum Photos

Pinkhassovs Interesse für Fotografie begann bereits in der Schule. Nach dem Studium der Kinematografie am VGIK (Gerassimow-Institut für Kinematographie), begann er für Mosfilm und dann als Standfotograf zu arbeiten. Der berühmte russische Regisseur Andrei Tarkovskij wurde auf Pinkhassov aufmerksam und lud ihn ein, am Set seines Films «Stalker» zu fotografieren (1979).

1985 zog Pinkhassov nach Paris und wurde 1988 zum Mitglied von Magnum Photos. Er arbeitet regelmäßig für die internationale Presse, insbesondere für Geo, Actuel und das New York Times Magazine. 
 

Der Essay "Leidenschaft" von Bernhard Lassahn ist in der Schallplatten-Edition Vol. 1 erschienen.

Biografie

Bernhard Lassahn
Autor

Bernhard Lassahn

Autor

Bernhard Lassahn ist ein deutscher Schriftsteller, Liedermacher und Kabarettist. Er ist der erste Preisträger des Kabarettpreises «Salzburger Stier» und Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland. Zusammen mit Walter Moers und Rolf Silber schrieb er die Geschichten von Käpt'n Blaubär für «Die Sendung mit der Maus». Er ist der Verfasser des hochgelobten Romans «Auf dem schwarzen Schiff».
Zur Zeit lebt er in Berlin und tritt regelmäßig in der Lesebühne des Zebrano-Theaters auf. Ferner schreibt er für die Blogs «Die Achse des Guten» und «Cuncti».